95
Der Müssiggang ist ein Lehrer des Trinkens und
die Unthätigkeit eine Schule der Völlerei. Denn
kein Mensch vermag es, die Last eines leeren Lebens zu
tragen. Die Tanzgelage aber sind die Turnplätze für diese
Sünde. Die Schenke und die Spinnstube sind die Mörder¬
gruben der Sittlichkeit, wo das Gift und der Mehlthau böser
Worte und Thaten durch Augen und Ohren, die Athnmngs-
werkzeuge der Seele, in die schwachen Gemüther dringen,
und der Brantwein dazu das Gedeihen giebt.
Es giebt keinen grossem Lügner in der Welt, als den
Brantwein, und der Vater der Lügen hat an diesem Getränk
einen Sohn bekommen, dass er in seiner Hölle sich über ihn
freuen muss, wie er auch kann. Dem Fröhlichen verspricht
er eine erhöhete Fröhlichkeit, und er hält Wort — einige
Stunden. Dann aber giebt er Scham, Verdruss, Reue, und
nicht selten Reue über eine That, die nimmer wieder gut zu
machen ist. Dem Traurigen hilft er; aber durch das Thor
einer kurzen Freude führt er ihn in eine vermehrte Traurigkeit.
Die hereingetrunkene Kraft wird Schwachheit; der herein-
getrunkene Reichthum macht die Armuth grösser; der herein¬
getrunkene Verstand spült weg, was noch an Verstand da
war,-so dass alle Nüchternen mit Inbegriff der Kinder
über den Narren lachen.— Ach, man sollte über ihn weinen!!
Ist’s erlaubt, sich iim’s Leben zu bringen? — Eben so wenig
ist es auch erlaubt, sich selber um den Verstand zu bringen.
Wahrlich, eines Trunkenboldes Gestalt und Wesen,
nämlich das braunrothe Gesicht mit blauer Nase, die trüben
Augen, die schwere Zunge, das dumme Zeug, das er spricht,
seine heisere Stimme, sein taumelnder Gang-sollten wohl
abschrckken, und die Schmach, wie der Kummer, den er
über die unschuldigen Seinen bringt, sollten wohl warnen,
und die Wahrnehmung, dass aus dieser Hölle von Tausenden
kaum Einer erlöset wird, sollte wohl vorsichtig machen.
„Es ist besser in das Klaghaus gehen, denn in das
Trinkhaus.“ Dies ist das Wort eines Mannes, der höher
stand, denn ich: Salomo, der Prediger (7, 3.) hat es schon
gesagt. _
„Die Trunkenheit macht einen tollen Narren noch toller.“
Auch nicht mein Wort. Ein Mann, welcher allen Ehrlichen
lieb und werth ist, hat es gesagt: Hausvater Sirach: 31, 37.
steht's geschrieben; wenn ihr’s nicht glauben wollt, überzeugt
euch selbst!
„Wehe denen, so Helden sind, Wein zu saufen, und