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Die verschiedenen Ansiedelungen der Menschen in einem Staate heißen:
einzelne Häuser, Höfe, Vorwerke und Meiereien; Weiler und
Dörfer, wenn die Häuserzahl schon bedeutender; Flekken und Marktflekken,
wenn in solchen Orten schon Gewerbe und Handel getrieben wird; Städte
endlich nannte man sonst nur größere, mit Mauern umgebene Orte; jetzt kommt
aber nur dabei die Größe und Mannigfaltigkeit der Gewerbe in Betracht. Ist
der Ort mit Wällen, Gräben u. s. w. umgeben, um den Feinden das Eindringen
zu erschweren, so heißt er eine Festung. Die Städte, worin der Sitz der Regie¬
rung oder der höchsten Behörde einer Provinz ist, heißen Hauptstädte, und
diejenigen, wo der Landesfürst wohnt, Residenzstädte.
Der Mensch in Kälte nnd Hitze.
Der Mensch kann nichts Nützlicheres und Besseres kennen lernen, als sich
selbst und seine Natur; und Mancher, der bei unö an einem heißen Sommertage
fast verschmachten will, oder im kalten Jenner sich nicht getraut, vom warmen
Ofen wegzugehen, wird kaum glauben können, was ich sagen werde; und doch
ist eö wahr.
Bekanntlich ist die Wärme des Sommers und die Kälte des Winters nicht
in allen Gegenden der Erde gleich; auch kommen sie nicht an allen Orten zu
gleicher Zeit und sind nicht von gleicher Dauer. Es giebt Gegenden, wo der
Winter den größten Theil des ganzen Jahres Herr und Meister ist und entsetzlich
streng regiert, wo das Wasser in den Seen 10 Schuh tief gefriert, und die Erde
selbst int Sommer nicht ganz, sondern nur einige Schuh tief aufthaut, weil dort
die Sonne etliche Monate lang gar nicht mehr geschienen hat und ihre Strahlen
auch im Sommer nur schief über de» Boden Hingleiten.
Und wiederum giebt es andere Gegenden, wo man gar Nichts von Schnee
und Eis und Winter weiß, wo aber auch das Gefühl der höchsten Sommerhitze
fast unerträglich sein muß — zumal wo eö tief im Lande an Gebirgen und großen
Flüssen fehlt — weil dort die Sonne den Einwohnern gerade über den Köpfen steht
und ihre glühenden Strahlen senkrecht auf die Erde hinabwirft. Es muß daher
an beiderlei Orten auch noch manches anders sein, als bei uns, und doch leben
und wohnen Menschen, wie wir sind, da und dort. Keine einzige Art von Thieren
hat sich von selber so weit über die Erde ausgebreitet, als der Mensch. Die
kalten und die heißen Gegenden haben ihre eigenen Thiere, die ihren Wohnort
freiwillig nie verlassen. Nur sehr wenige, die der Mensch mitgenommen hat,
sind im Stande, die größte Hitze in der einen Weltgegend und die grimmigste
Kälte in der andern auszuhalten. Auch diese leiden sehr dabei, und die andern
verschmachten oder erfrieren, oder sie verhungern, weil sie ihre Nahrung nicht
finden. Auch die Pflanzen und die stärksten Bäume kommen nicht auf der ganzen
Erde fort; sondern sie bleiben in der Gegend, für welche sie geschaffen sind, und
selbst die Tanne und die Eiche verwandeln sich in den kältesten Ländern in ein
niedriges Gesträuch und Gestrüppe, wie wir dies auf unseren hohen, kahlen und
kalten Bergen auch bisweilen wahrnehmen. Aber der Mensch hat sich überall
ausgebreitet, wo nur ein lebendiges Wesen fortkommen kann, ist überall daheim,
liebt in den heißesten und kältesten Gegenden sein Vaterland und die Heimath,
in der er geboren ist; und wenn ihr einen Wilden, wie man sie nennt, in eine
mildere und schönere Gegend bringt, so mag er dort nickt leben und nicht glükk-
lich sein. So ist der Mensch. Seine Natur richtet sich allmählig und immer
mehr nach der Gegend, in welcher er lebt, und er weiß wieder durch seine Ver¬
nunft seinen Aufenthalt einzurichten und so bequem und angenehm zu machen,
als es möglich ist. Das muß der Schöpfer gemeint haben, als er über das
menschliche Geschlecht seinen Segen aussprach: „Seid fruchtbar und mehret euch,
und erfüllet die Erde, und machet sie euch Unterthan."