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dm Wurzeln, die sie auö der Erde wühlten. Da janunerten iim
die Kinder, und er fragte sie: Wo ist ener Haus und euer Vater
und Mutter? Die Kiuder sagtenx Unser Haus ist verbrannt, und
wir haben keinen Vater und keine Mutter mehr. Der Krieg hat
sie getödtet. Darauf nahm der reiche Mann die Kiuder in seinen
Wagen lind führte sie in sein Haus und gab ihnen Alles, was sie
bedürften; auch lehrte er sie arbeiten und ließ sie unterrichten in
allerlei Künsten und Weisheit.
Nach einiger Zeit kamen die Kiuder zu ihm und sagten: Du
bist groß und reich; aber noch großer, als dein Reichthum ist deine
Güte, mit der du dich unser erbarmt haft; aber sage uns, mit
welchem Namen wir dich nennen sollen?
Da neigte sich der barmherzige Mann zu den Kindern und
sagte: Nennt mich Vater; denn ich will euer Vater sein, und ihr
sollt meine Kinder sein.
Alö der fromme Winfried diese Geschichte erzählt hatte, lobten
Alle die Güte des reichen Mannes. Da erhob er sich und sagte:
Dort, wohin mein Herz verlanget, ist ein ganzes verwaistes
Völkchen. Gold und Silber habe ich nicht; aber ich will ihnen
Besseres geben. Ich will sie zum Vater führen.
Darum zog er hinaus gen Deutschland und that die Götzen
hinweg und lehrte das Evangelium vom Glauben und von der
Liebe; und sie nannten ihn Bonifacins, d. h. Wohlthäter, und
sprachen: Er hat ein gutes Werk an uns gethan.
114. Die Nevjahrxnavhl eines Unyliikklichen.
„Spare deine Jiu.ise nicht, bis du krank werdest; sondern bess're dich,
weil du noch sündigen kannst!" (Sir. IN, 22>)
Ein alter Mensch stand in der Neujahr smittcrnacht am Fernster und schaute
mit dem B/iklc einer bangen Verzweiflung auf zum unbeweglichen, ewig blühenden
Himmel, und herab auf die stille, weisse Erde, worauf jetzt Niemand so freuden-
nnd schlaflos war, als er. Denn sein Grab stand nahe bei ihm; • es war bloss
vom Sehnen des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeklet,’ und er brachte aus
dem ganzen reichen Leben Nichts mit, als Irrthümer, Sünden und Krankheiten,
einen verheerten Körper und eine verödete Seele, die Brust voll Gift. und* ein
Alter Voll Reue. Seine schönsten .Tugendtage wandten sich heute als Gespenster
uni und zogen ihn wieder vor den holden Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst
auf den Scheideweg des Lebens gestellt, hatte, der rechts auf d. r Sonnenbahn der
Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht, und Ernten und voll Engel bringt,
und links in die Mnulwurfsgänge des Lasters herabzieht, in eine schwarze Höhle
voll hc.runlertropfernden Giftes, voll zischender Sehlangen und Jinsterer, schwüler
Dämpfe,