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Der Mai ist da und bekränzt mit grünen Zweigen Hüte und Mützen und
Häuser. Gärten und Aecker sind bestellt; die Kühe gehen bedächtig aufs der
Weide im fetten Grase und die Lämmer hüpfen vor Freuden im Klee. Nur
die Bögel sind noch eifrig beim Nesterbau oder fangen eben an, Eier zu legen.
Alles ist voll Leben und Freude, und wenn nicht noch die letzten Nachtfröste
daran erinnerten, würde Niemand mehr des Winters gedenken. Aber auch
diese nehmen ein Ende; Servatius und Pancratius gehen vorüber, der Gärtner
läßt selbst zartere Gewächse die Nacht über im Freien. — Mit jedem Tage
entdeckt man nun neue Schönheiten draußen; bunte Schmetterlinge naschen
mit den summenden Bienen und den schwirrenden Käfern um die Wette, bald
vom grünen Laube, bald von den bunten Blumen. Alle Saatfelder prangen
jetzt in frischem Grün; mit Freude und Dank schaut der Landmann auf den
werdenden Segen. Und wie freuen sich nicht erst die Kinder bei ihren muntern
Spielen und Tänzen im Freien, die sie auf grünem Rasen halten, wenn
die helle Sonne am blauen Himmel lacht! Auch sie freuen sich der Vatergüte
Gottes, der diese Welt so schön gemacht hat. Treibt sie denn auch zuweilen
ein milder Frühlingsregen in's Haus, so trauern sie darum nicht; denken wohl
gar, wie der Frühlingsregen das Korn groß macht, so befördert er auch der
Kinder Wachsthum.
3.
Am Ende des Maimonats werden die Tage schon recht lang, und zu¬
weilen sehr warm, denn die Sonne steht hoch und lange am Himmel. Der
Sommer wartet vor der Thür, um den Frühling abzulösen; er wird schon
ungeduldig, uns die Früchte aufzutischen, die aus den Frühlingsblüthen ge¬
worden sind. Im Juni wird ihm die Thür geöffnet, und nun können die
Knaben singen: Tra-ri-ra, der Sommer, der ist da! Drei Monate können
sie'S singen; Juni, Zuli, August. Er will uns, wie gesagt, traktl'ren;
darum tischt er bald auf, was er hat: Kirschen, Stachelbeeren, Johannisbeeren,
Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren und Bickbeeren. Aus dem Gemüsegarten
bringt er Erbsen, Wurzeln, Bohnen u. s. w. Auch mit Blumen bedenkt er
uns; er bringt vor Allein Rosen und Nelken im Garten, und auf dem Felde
die blauen Kornblumen. Bald setzt er auch den Landmann in Thätigkeit;
die Sensen werden geschärft, denn das hohe Gras der Wiesen wartet auf
den Schnitter; die Heuernte wird gethan. — Währenddeß haben die Vögel
ihre Eier ausgebrütet; emsig stiegen sie hin und her, den Jungen Futter zu
holen; bald werden diese stügge und verlassen das Nest. Viele Vögel brüten
dann zum zweiten Mal. Frösche, Schlangen und Fische. — Aber wie sieht's
um Wind und Wetter aus? Am Tage ist es oft sehr heiß, besonders brennen
die Sonnenstrahlen am Mittage sehr; Mensch und Thier sucht Schutz in den
Häusern; im Schatten der Bäume; die Thiere auf dem Felde keuchen vor
Hitze und die Pstanzcn sind schlaff und welk. Um 2— 3 Uhr Nachmittags
erreicht die Hitze den höchsten Grad; dann nimmt sie allmälig ab, so wie die
Sonne sinkt. Wo sie untergeht, röthet sie die Abendwolken; mit der Däm¬
merung tritt nun eine erquickende Kühle ein. Von dem fallenden Thau er¬
frischt, richten sich die Pflanzen wieder auf. Die Vögel singen ihr Abendlied
und gehen zu Neste; das Wild sucht sein Lager. Der Hirt kehrt mit seiner
Heerde heim und singend oder in stilles Nachdenken versunken wandert auch
der Landmann seinem heimischen Heerde zu. Durch die abendliche Stille tönt
nur noch das Geläute der Glocken, zum herzlichen Danke ermahnend. Auf