dir fehlt. Sie schwieg noch eine Weile, dann aber that sie ihren
Mund stuf, und indem sie einen tiefen Seufzer holte, sprach sic:
Ach, lieber Mann, es hat mir diese Nacht geträumt, unser lieber
Herrgott sei gestorben und die lieben Engelein feien mit zur Leiche
gegangen. Einfalt! sagte der Mann, wie kannst du denn so etwas
Albernes für wahr halten oder auch nur denken? Herzlieb bedenke
doch, Gott kann sa nicht sterben. Da erheiterte sich plötzlich das
Gesicht der guten Frau, und indem sie des Mannes beide Hände
erfaßte und zärtlich drückte, sagte sie: Also lebt er noch der alte
(ewige, treue) Gott? Za freilich, sprach der Mann, wer wollte
denn daran zweifeln? — Ta umfing sie ihn und sah ihn an mit
holdseligen Augen, aus denen Zuversicht und Friede und Freudig¬
keit strahlten, und sprach: Ei nun, Herzensmann, wenn der alte
Gott noch lebt, warum glauben und vertrauen wir beim nicht auf
Ihn? Er, der unsre Haare gezählt hat und nicht zuläßt, daß ei¬
nes ohne seinen Willen ausfalle, der die Lilien des Feldes bekleidet
uub die Sperlinge ernährt unb die jungen Naben, die nach Futter
schreien? Bei diesen Worten geschah es dem-Manne, als fielen
ihm plötzlich Schuppen von den Augen und als lösete sich das Eis,
das sich um sein Herz gelegt hatte. Und er lächelte zum ersten
Male wieder nach langer Zeit, und er dankte seinem frommen,
lieben Weibe für die List, die sie angewandt, um seinen todten
Glauben an Gott zu beleben und das Zutrauen zu ihm hervorzu¬
rufen. Und die Sonne schien nun noch freundlicher in die Stube
aus das Antlitz zufriedener Menschen, und die Lüfte wehten er-
quickender um ihre verklärten Wangen, und die Vogel jubilierten
noch lauter und lobten Gott.
7. Gott ist die Liebe.
Ein heidnischer König sprach zu einem berühmten Weltweisen:
Sage mir: waö ist Gott? Gieb mir einen Tag Bedenkzeit, ant¬
wortete der Weise, so will ich dirs sagen. Als der Tag um war
und der König die Antwort begehrte, sagte der Weise: Gieb mir
zwei Tage Bedenkzeit, so will ich dirs sagen. Als die zwei Tage
auch um waren und der König die Antwort begehrte, sagte der
Weise: Gieb mir vier Tage Bedenkzeit, so will ich dirs sagen.
Und so fuhr er fort und gab keine Antwort, sondern verlangte im¬
mer doppelt so viel Bedenkzeit, als er das letzte Mal sich auSge-
beten hatte. Als der König endlich ungeduldig ward und ihn
fragte, waö dies Aufschieben bedeute, sagte der Weltweise: Je mehr
ich der Sache nachdenke, desto weniger verstehe ich davon.
Ein Christenkind weiß in einem kleinen kurzen Sprüchlein auf
des Königs Frage eine Antwort zu geben, auf die der arme Heide
nimmer gekommen wäre, wenn er sich auch noch hundert Jahre
hätte besinnen können. Das Sprüchlein heißt: Gott ist die Liebe.