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du merkst es bald, der liebe Gott wohnt in dem Wald; dein Auge
zwar kann ihn nicht sehen, doch fühlst du seines Odems Wehen.
Wo wohnt der liebe Gott? — Hörst du der Glocken hellen
Klang? Zur Kirche rufen sie dich hin. Wie ernst, wie freundlich
ist's darin! wie lieb und traut und doch wie bang! wie singen sie mit
frommer Lust! wie beten sie aus tiefer Brust! DaS macht, der Herr
Gott wohnet da; drum kommen sie von fern und nah', hier vor fein
Angesicht zu treten, zu flehn, zu dankeu, anzubeten.
Wo wohnt der liebe Gott? — Die ganze Schöpfung ist fein
Haus. Doch wenn es ihm so wohl gefällt, so wählet in der weiten
Welt er sich die engste Kammer aus. Wie ist das Menschenherz so
klein, und doch auch da zieht Gott hinein. O halt das deine fromm
und rein, so wählt er'S auch zur Wohnung sein, und kommt mit seinen
Himmelsfreuden, und wird nie wieder von dir scheiden. Hey.
2. Gottes unbegreifliches Wesen.
Als einst der Weltweise Simonides von dem Fürsten Hiero
gefragt wurde, was denn Gott sei, so bat er sich einen Tag Be¬
denkzeit aus. Am anderen Tag um die Antwort gefragt, bat er
um zwei Tage zum Nachdenken, und als diese vorüber waren, um
vier Tage. — Da nun der Weltweise, so oft er nach Ablauf der
zugestandenen Bedenkzeit gefragt wurde, was er denn von Gott zu
sagen wisse, immer noch so viele Tage Bedenkzeit, als vorher, ver¬
langte, so verwunderte sich der Fürst höchlich darüber, warum er
dies thue. „Ach, erwiederte seufzend Simonides, je mehr und je
länger ich darüber nachdenke, desto schwerer fällt es mir zu sagen,
was Gott eigentlich sei." I o h. E v. Schmid.
3. St. Augustinus.
St. Augustin lustwandelte einst am Ufer des Meeres,
und dachte mit großem Ernste nach, wie er das Geheimniß
der heiligen Dreieinigkeit ergründen möchte. Da sah er
ein gar schönes Kind am Meere sitzen, daS schöpfte immer
Wasser aus dem Meer in ein kleines Grüblein. Und er
sprach zu dem Kinder „Was machest du?" Da antwortete
das Kind: „Ich will das große Meer in dies kleine Grüb¬
lein schöpfen." Da sagte Augustinus: „Kind, laß ab, daS
zu thun, denn du vermagst eS nicht." Das Kind aber sah
Augustinus an und sprach: „Leichter ist es, das große
Meer in dies kleine Grüblein zu schöpfen, als das Geheim¬
niß der heiligen Dreieinigkeit zu ergründen." Darauf ver¬
schwand das schöne Kind, und Augustinus erkannte in dem
Gesichte GotteS Wirkung, und fiel nieder auf fein Ange¬
sicht, und betete an Gott den Vater, den Sohn und den
heiligen Geist. Werfer.
4. Gottes Allweisheit.
Sohn, mit Weisheit und Verstand Alle Dinge. Sieh umher;
Ordnete des Schöpfers Hand Keines steht von ungefähr,