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Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden,
hu, da kam das vierfüssige Gethier daher gerannt mit Gebraus, dass
die Erde zitterte; Zaunkönig mit seiner Armee kam auch durch
die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwärmte, dass einem
angst wurde, und giengen sie da von beiden Seiten an einander.
Der Zaunkönig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem
Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskräften stechen.
Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam, zuckte er, dass er das
eine Bein aufhob, doch ertrug er’s, und liess den Schwanz noch in
der Höhe; beim zweiten musste er ihn einen Augenblick herunter¬
lassen; beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie
und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Thiere
sahen/meinten sie, alles wäre verloren, und fiengen an zu laufen,
jeder in seine Höhle; und hatten die Vögel die Schlacht ge¬
wonnen. /
Da flog der Herr König und die Frau Königin heim zu ihren
Kindern, und riefen: „Kinder, seid fröhlich, esst und trinkt nach
Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen Zaun¬
könige aber sagten: „Noch essen wir nicht, der Bär soll erst vors
Nest kommen, und Abbitte thun, und soll sagen, dass wir ehrliche
Kinder sind.“ Da flog der Zaunkönig vor das Loch des Bären und
rief: „Brummbär, du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen,
und Abbitte thun, und sagen, dass sie ehrliche Kinder sind, sonst
sollen dir die Rippen im Leib zertreten werden.“ Da kroch der
Bär in der grössten Angst hin, und that Abbitte, und darauf setz¬
ten sich die Zaunkönige zusammen, assen und tranken, und mach¬
ten sich lustig bis in die späte Nacht hinein. Bi-uaer Grimm.
192. Der König.
„Mutter,“ sagte der kleine Wilhelm, „ich möchte wohl ein König werden."
Die Mutter fragte darauf: „Weißt du auch wohl, was ein König ist,
und hast du jemals einen gesehen?"
Der Knabe verneinte es. Da faßte der Vater lächelnd ihn bei der
Hand und sagte: „Komm, ich will dir einen König zeigen!" und führte ihn
hinaus auf den Hof in den Schnee. Denn es war Winter und sehr kalt.
Da zeigte der Vater ihm ein kleines Vöglein und fragte: „Kennst du
dies Vöglein und seine Weise und sein Wesen?" — Der Knabe antwortete:
„Nein, erzähle du mir davon!"
Da sagte der Vater: „Siehe, das Vöglein ist das kleinste von allen
in seiner äußern Gestalt und schlicht von Farben, aber es hat ein sonder¬
lich Geinüth vor allen andern. Obwohl es so kalt ist und stürmet und
schneiet, und überall nichts denn Schnee und Eis, so ist und bleibet es
frohen Muthes. Siehe, jetzt schwebet es auf die Zinne des Daches und
schauet rund um sich her, so fröhlich, als ob die ganze weite Welt sein
gehörte. Und das thut sie in Wahrheit, denn es freuet sich derselben. —
Höre, jetzt beginnt es sogar zu singen, und sein kleines Lied tönet wie helle
Pfeifen durch die Gründe, gleichsam als sänge es: Wie ist mir doch so wohl