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A. Europa.
ni sch er Pilgrimme aus der französischen Normandie im untern Ita¬
lien auf ihrer Reise nach Jerusalem. Immer zu Waffenthaten auf¬
gelegt, fanden sie sich bereit gegen die Araber zu kämpfen, und ihre
Kraft und Tapferkeit setzte die Landesbewohner in Erstaunen. Sie
selbst gereizt von der Leichtigkeit des Erfolgs riefen immer mehrere
ihrer Landsleute herbei, die nun nicht mehr für die Griechen, son¬
dern für sich selbst fochten und schon 1O22Aversa, die erste nor¬
mannische Stadt, gründeten. Vorzüglich zeichneten sich aus Tan¬
kred vonHauteville und seine Heldensöhne, deren Familie die Herr¬
schaft über diese Lander errang. Bald hatten sie die Araber und
auch die Griechen vertrieben; Robert Guiscart, Tankreds Sohn,
ward vom Papst, den er in einer Schlacht gefangen, zum Herzog
von Apulien ernannt und erkannte gern den Papst als seinen Lehns¬
herrn, so wie dieser dagegen sich an den Normannen eine mächtige
Stütze gegen andre Feinde erwarb. Roberts Sohn Roger eroberte
1061 noch Sizilien, und schon 1130 nannten sich seine Nachfolger
Könige beider Sizilien; 1150 endlich ergab sich ihnen freiwillig die
bis dahin als eigner Freistaat unter griechischem Schutze gestandene
Stadt Neapel. Palermo aber war die Residenz des neuen Reiches.
Während so im nördlichen und südlichen Italien neue Verhältnisse
sich entwickelten, war im mittlern die Macht der Päpste unbemerkt
gewachsen und erreichte im Ilten und 12ten Jahrhundert ihren
Gipfel. Daß der Bischof von Rom, als Oberhaupt der Gemeinde
der Hauptstadt, von den Bischöfen in den Provinzen mit einer ge¬
wissen Achtung und Ehrfurcht betrachtet wurde, war höchst natür¬
lich. Noch günstiger wurde seine Stellung, als der Sitz des Reichs
nach Conftantinopel verlegt worden. Während der Patriarch von
Constantinopel von der Anwesenheit der Kaiser gedrückt, von ihren
Launen abhing, erschien der Bischof des sich selbst überlassenen Rom
häufig als der wohlthätige Vermittler und Fürsprecher der Stadt;
und als nun vollends die Eifersucht gegen den Patriarchen von Con¬
stantinopel und mehr noch die eigenthümlich verschiedene Bildung
und Sinnesart der östlichen und westlichen Völker eine Trennung
der Kirche in eine morgenländische und eine abendländische veran¬
laßt hatte, war es wiederum ganz natürlich und unvermeidlich,
daß der Bischof von Rom oder Papst als das geistliche Oberhaupt
der abendländischen Kirche angesehen wurde. Waren ja doch Fran¬
ken, Britten, Germanen durch seine Abgesandte und in seinem
Namen zum Christenthum bekehrt worden. Zu diesen natürlichen
Verhältnissen wurden aber bald noch andre Hülfsmittel gesellt, die
Oberherrschaft der Päpste zu begründen. Die untergeschobenen
Dekretalen (Sammlung päpstlicher Verordnungen) des falschen Jsi-
dorus in der Mitte des 9ten Jahrh, mußten die Welt belehren, daß
von der ältesten Zeit der Papst als Nachfolger des h. Petrus das
Oberhaupt der Kirche gewesen, daß alle weltliche Macht nur von
ihm ihre Bestätigung und Geltung erhalte, und in jenen Zeiten all-