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ben Unterricht des Weisen genießen? Doch sein Eifer
wußte alle Hindernisse zu besiegen. Er trug zur Nacht¬
zeit für einen Gärtner Wasser, oder mahlte für eine
Frau Getreide auf einer Handmühle. Dadurch erwarb
er sich jede Nacht so viel, als er am folgenden Tage
ZU seinem Unterhalte gebrauchte. Bei Tage besuchte er
dann den Unterricht des Zeno, und war gesund und
stark dabei.
Darüber wunderten sich die Menschen sehr, die seine
Armuth kannten, und sprachen unter einander: „Wodurch
wag sich der junge Mensch doch ernähren, da er gar
nichts arbeitet?" Sie faßten' zuletzt den Verdacht gegen
%, daß er auf eine unerlaubte Weise sich seinen Unter¬
halt verschaffe, und forderten ihn deswegen vor Gericht.
Kleanthes erschien. Die Richter theilten ihm den
Verdacht seiner Ankläger mit und legten ihm auf, sich
davon zu reinigen. Da holte er den Gärtner und die
Frau, für welche er bisher gearbeitet hatte, herbei; und
diese bezeugten, daß er seinen Unterhalt zur Nachtzeit
sich durch Arbeiten erwerbe.
Von diesen! seltenen Eifer des Jünglings wurden die
Richter nicht wenig gerührt und beschlossen einmüthig,
ihn durch ein Geschenk zu belohnen. Sein Lehrer Zeno
verbot ihm aber, dies Geschenk anzunehmen.
151. Freude und Traurigkeit.
Fischer hatten ihr Netz ausgeworfen, und als sie es
wieder an's Land ziehen wollten, fühlten sie, daß es
sehr schwer geworden. „Das ist ein glücklicher Fang,"
sagten sie; „darauf können wir uns etwas zu Gute
ihun." Mit lautem Jubel zogen sie das Netz vorwärts,
und ihre Freude steigerte sich immer höher, je mehr sie
sich anstrengen mußten und daraus das Gewicht des
^uhalts abschätzen konnten. Aber wie änderten sich ihre
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