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Das Meerwasser ist nicht sufi wie daS Wasser anf dem Lande; es ist
bitter, salzig, Ekel und Brechen erregend, und durum untrinkbar. Die See¬
fahrer sind genöthigt, Wasser vom Lande mit sich zu führen. Schiffbrüchige
haben nicht selten mitten <utf dem Meere verdursten müssen. Die Farbe des
Meeres erscheint blau oder grünlich, je nach der Tiefe dunkler oder Heller,
ganz dunkelblau bei großer Tiefe.
Wie die Farbe und die Durchsichtigkeit, so ist auch die Warme des
MeerwasserS nach der Lage der einzelnen Meere und wiederum bei jedem je
nach der Tiefe sehr verschieden. Die Meere, welche um die beiden Pole der
Erde liegen, enthalten den größten Theil des Jahres hindurch mächtige Eis¬
felder, ja schmälere Theile derselben sind von Küste zu Küste ganz zugefroren,
und auch im höchsten Sommer schwimmen auf ihnen Eisstücke (Treibeis)
umher, die sich hin und wieder zu mächtigen Eisbergen anftbürmen. Ein
englischer Seefahrer erzählt, er habe einmal von seinem Schiffe aus gegen
fünfhundert solcher schwimmenden Eisberge gesehen, von denen einige wohl
200 Fuß hoch über die Meereöfläche emporftarrten. Nicht selten zeigen diese
beweglichen Etsfelsen die wunderbarsten Formen. Man glaubt kolossale
Säulen und Thürme zu erblicken, die im Sonnenlichte wie Silber glänzen.
Brücken, wie von weißem Marmor gebaut, wölben sich in der Luft von Gipfel
zu Gipfel der eiszackigen Berge; schimmernde Gewölbe, von mächtigen Pfei¬
lern getragen, bedecken die Eingänge ungeheurer Etsgrotten und Höhlen. So
schön indessen dieser Anblick sein mag, so gefährlich ist es in der Nabe dieser
Eiskolosse; denn sie werden häufig von den Winden gegen einander getrieben,
und zerquetschen dann das Schiff, welches zwischen ihnen hindurch segelt, wie
eine Nußschale. Oft stürzt einer dieser glänzenden Kolosse plötzlich mit furcht¬
barem Gekrache zusammen und bringt weithin das Meer und alles darauf
in wilde Bewegung.
Eine der großartigsten aber auch der furchtbarsten Naturerscheinungen
anf dem Meere ist die sogenannte Wasserhose. Der Vorbote derselben ist
gewöhnlich völlige Windstille. Eine schwarze, zuweilen wetterleuchtende Wolke
neigt sich vom Himmel herab gegen das Meer. Auf der Oberfläche des
Meeres bildet sich brausend und sprudelnd ein weißer Fleck, aus dem eine
Wassersäule emporsteigt, zu welcher sich eine andere Wassersäule von derselben
Form auS der Wolke herabsenkt. Beide vereinigen sich. Eine Weile steht
die Wassersäule still, dann fängt sie an sich wirbelnd unter heftigem Brausen
auf dem Meere dem Zuge der Wolke nach fortzubewegen, bis endlich die
ganze Waffermasse unter fürchterlichem Getöse in das Meer stürzt. Wehe
den Schiffen, die in der Nähe sind! Wegen der völligen Windstille, die
während der Dauer der Erscheinung herrscht, wird es ihnen schwer auszu¬
weichen. Die Schiffsmannschaft versucht zwar durch Abfeuern von Kanonen
die Luft in Erschütterung und dadurch die Wassermasse zum Zerplatzen zu
bringen, allein nicht immer gelingt, dieses, und oft werden die größten Schiffe
in wenigen Augenblicken von der Wasserhose7nicht blos überschüttet, sondern
völlig zertrümmert. Diese Naturerscheinung zeigt sich besonders häufig an
der Westküste von Afrika. Eine freundlichere und unbeschreiblich schöne Na¬
turerscheinung auf dem Meere ist das Leuchten des Meeres bet Nacht. So
weit das Auge reichst scheint daö Wasser in Flammen zu stehen. Off ziehen
den segelnden Schiffen, besonders in stürmischen Nächten, lange, feuriße Strei¬
fen nach. Wahrscheinlich rühren diese Lichterscheinungen vom Schleim abge¬
storbener und aufgelöster Thiere, auch von noch lebenden Schleimthicrchen
her, mit denen das Meer angefüllt ist. Oft auch sind es große, leuchtende
Körper, die bald tiefer bald mehr an der Oberfläche des Wassers schwimmen