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sieben. Wilhelm und Marie nahmen dies Anerbieten
mit Freuden an. Durch diese Hülfe hatten sie nach und
nach viel gewonnen. Nach einigen Jahren fand sich eine
Gelegenheit, daß Luise heirathcn konnte. Da rechneten
Wilhelm und Marie heimlich zusammen, was Luise in¬
deß etwa würde verdient haben, wenn sie bei anoeru
Leuten gedient hatte, und an iorem Verlobungs age
gaben sie ihr dieses an Geld und Hausgerach zu ihrer
Ausstattung. Sir. 25, 1. 2.
91. Auch an die Nachkommen muß
man denken.
Ä8ann Wilhelm einen Obsibaum pfropfte, so setzte er
gemeiniglich einen Zweig von einem Dorsdorferapfel dar¬
auf. Einst besuchte ihn sein Nachbar Hans, fand ihn
bei dieser Arbeit, und tadelte ihn deswegen. „Ei Ge¬
ratter," sprach er, „warum nehmt ihr nicht lieber
„Pfropfreiser von andern Aepfelarten, die eher trage»?
„Das könnt ihr noch erleben, aber die BorNdorfer
„tragen vielleicht in zwanzig Jahren noch nicht recht
„viel Obst."
„Aber wann diese denn doch endlich tragen," ant¬
wortete Wilhelm, „dann haben auch meine Nachkommen >
„auf lange Zeit desto reichlichern Vortheil."
So wie es mit manchen Dingen in der leblosen
Natur beschaffen ist, so geht cs auch mit guten Anstal,
ten und Einrichtungen. Sie müssen natürlicher Welse
immer seltener werben, je mehr die Menschen sich ge¬
wöhnen, nur auf das Gegenwärtige begierig zu sehen,
und an die Zukunft gar nicht zu denken. Denn gewöhn¬
lich entsteht alles, vorzüglich das Gute, langsam, und
befriedigt nicht sogleich in der ersten Zeit die Ungeduld
unserer Erwartungen und Wünsche; dauert aber, wenn
es cniporkömmt, desto langer, und belohnt dann reich¬
lich den Fleiß und die Hoffnung des Menschenfreundes.
92. Die Kunst, ohne Reue fröhlich zu seyn.
Älauö konnte den ganzen Frühling hindurch Blumen
sehen, Nachtigallen schlagen hören, die schönsten Korn-