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fürchterlichen Brüllen, den Kopf zwischen den Vorderbeinen, rennt er
im Kreise der Schranken herum. Nun beginnt der erste der Chulos sein
verwegenes Spiel. Im vollen Galop läuft er auf den Stier zu, das
rothe, flatternde Tuch in langen Bogen schwenkend, und während dieser
einen Ansatz nimmt ihn zu durchbohren, springt er jetzt rechts, jetzt links
vor ihm her, immer mit dem Mantel die tödtlichen Stöße auffangend,
bis am Ende das gereizte Thier den Kopf in dem langen Gewände ver¬
wickelt hat. Ein heulender Beifall lohnt dem Kühnen. Indeß schon hat
sich der Toro von der verhaßten Hülle befreit, und nun nimmt ein zwei¬
ter, jetzt ein dritter Chulo die Rolle auf. Keck fliegen sie vor dem schäu¬
menden Thiere daher, das aus seiner Wunde blutend und mit verhal¬
tenem Gebrüll seinen Peinigern nachstürzt, immer wüthender, je weniger
es die schnellfüßigen erreicht, bis dennoch der eine von dem tobenden
Stier in die Enge getrieben nicht mehr rechts noch links auszuweichen
weiß. Der Chulo scheint verloren, die schmale Thür, die seinen Genossen
zur Flucht sich öffnete, ist zu ferne; er steht allein und wehrlos der Wuth
des Thieres gegenüber: da rasch wirft er den Mantel dein heranstürzen¬
den vor die Füße, und im Augenblick trägt ihn ein kühner Sprung
über die 6 Fuß hohe Barriere hinweg in den innern Gang, wo ihn das
jubelnde Volk mit Bravorufen empfängt.
Der Stier, bis zur Raserei gehetzt, stürzt nun wieder auf die
anderen Picadores los, und jetzt kostet es Pferde, zuweilen Menschenleben.
Bis an das Genick bohrt er den Kopf in den Bauch der Pferde, die
wild aussetzen und die Oieiter abschleudern. Immer heißer, gefährlicher
wird der Kampf, immer dichter fallen die Lanzenstiche auf den Hals des
Stieres, aber in der Wuth achtet er derselben nicht, und greift einen
Picador nach dem andern an. Zweimal hob er Roß und Reiter mit
Einem Stoß von der Erde empor und ließ sie dann fallen. Einein
dritten Pferde stieß er die Hörner tief in die Brust; das Pferd bäumte
sich wild wiehernd hoch auf, um dem Stier auf den Nacken zu springen;
da duckt sich dieser noch einmal nieder, zum zweiten Stoß ausholend,
und schlitzt dem fast über ihm schwebenden Thiere den Leib der Länge
nach auf. „Bravo! Bravo!" jubelte das Volk, indeß der Stier sich
schüttelte, daß es wie ein blutiger Regen um ihn herumflog.
Ein neues Zeichen wird gegeben. Die theils verwundeten, theils
ihrer Pferde beraubten Picadores ziehen sich zurück, um den Chulos
nochmals Platz zu machen. Diese haben die Shawls und Mäntel von
sich geworfen^ und hüpfen leicht und graziös in den Circus, in jeder
Hand einen mit Blumen und bunten Papierstreifen umwundenen Pfeil,
dessen Spitze Pich zu einem Widerhaken umbiegt. Um den Stier noch
mehr zu reizen oder ihn von Neuem anzustacheln, wenn ihn Kampf,
Wunden und Blutverlust ermüdet, müssen sie diese Stäbchen in das
Genick des Thieres häkeln. Dies ist ein Spiel, bei dem man nicht
weiß, ob man mehr die Verwegenheit oder die Gewandtheit des Torea¬
dors bewundern soll. Der Chulo läuft hinter dem wüthenden Toro
her, bis dieser plötzlich umsetzt. Nun stellt er sich auf die Fußspitzen,
biegt sich mit einem Pfeil in jeder Hand so weit vorn über als mög¬
lich, läßt den Stier gerade auf sich losstoßen, und macht eine Sei¬
tenbewegung, setzt ihm in dem Augenblicke, wo der Kopf des Unge-
thüms gerade unter seinen Armen hindurchstürmt, die Eisenhaken ins