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gedachte Wieland, daß er in großer Noth wäre: sein Vater war nun
todt, und er selber dein Tode verfallen. Er blickte sich noch um und
sah auf einmal, wie der Schwertgriff aus dem Boden hervorragte; da
ging Wieland hinzu, riß das Schwert heraus, sah es an und sprach:
„Was darf ich nun noch das Schlimmere für mich fürchten!"
Er sah, wie die Zwerge auf einem Berge stunden und sich um-
sahen; sie gewahrten aber nicht, was Wieland da vorgenommen hatte.
Wieland ging nun auch auf derr Berg, er hatte das bloße Schwert
unter dem Rockschoß und ließ es nicht sehen, trat zu dein, der ihm
der nächste war, und gab ihnr den Todesstreich, und deiriirächst erschlug
er auch den andern. Dann ging Wieland in den Berg und nahm all
ihr Schmiedezeug, und all das Gold und Silber, das er finden konnte.
Hierauf nahm-er ein Roß. das den Zwergen gehörte, und bepackte es
mit ihrem Golde und Kostbarkeiten, auch sich selber lud er so viel auf,
als er nur immer tragen konnte, und wandte sich nun gen Norden
nach Dänemark.
Als Wieland nun drei Tage, so schnell er inochte, gefahren war,
da kam er an einen großen Strom, der hieß Weserstrom, und konnte
nicht über das Wasser; und an dem Strome war ein großer Wald, darin
verweilte er sich eiiiige Zeit; es war aber nahe an der See. Da rüstete
sich Wieland; er ging auf einen Hügel am Ufer und ersah sich einen
großen Baum, fällte ihn zur Erden, hieb ihn entzwei und höhlte ihn
dann inwendig ans; und an das Ende, welches dünner war und zu den
Zweigen hinauflief, legte er sein Werkzeug und sein Gut, und da. wo
der Stamm dicker und geräumiger war, that er Speise und Trank
hin und fuhr selber dahinein und verschloß dann den Stamm so fest und
dicht, daß ihm auf keine Weise weder Strom noch Meer schaden mochte.
Und vor die Löcher, welche in dem Baum waren, setzte er Gläser, die
so eingerichtet waren, daß er sie wegnehmen konnte, sobald er wollte;
wenn aber die Gläser davor waren/so konnte kein Wasser eindringen,
so wenig, als wenn der Baum ganz gewesen wäre. Nun lag der Baum
am Ufer des Stroms und darinnen "Wieland mit all seinem Gut und
all seinem Werkzeug; da bewegte er sich in dem Stamm so lange, bis
daß derselbe sich in den Strom wälzte. Dieser Stamm trieb nun hinaus
in die hohe See und trieb achtzehn Tage umher, da kam er endlich
an's Land.
Ein König hieß Nidung. der herrschte in Jütland über den Theil,
der Thiodi heißt. Und es geschah eines Tages, daß des Königs Leute
mit Strandnetzen in die See ruderten, um frische Fische für des Königs
Tisch zu sangen; sie warfen ihre Netze aus und zogen sie an's Land.
Da wurde das Netz so schwer, daß sie cs kaum herausbringen konnten,
und als es endlich ans Land kam, da sahen sie, daß ein wundersam
großer Baumstamm dahineingerathen war; sie zogen ihn an's Land und
betrachteten ihn genau, was für ein Baum das sein möchte. Sie fan¬
den, daß der Baum wunderkünstlich geschnitzt war, und vermutheten,
daß etwas darin verborgen sein möchte, dieweil er so schwer und wohl
verwahrt wäre. Sie schickten daher Jemanden zu dem König und baten
ihn, daß er kommen und diesen Baum sehen möchte. Und als der
König hinkam und den Stamm sah, gebot er zu untersuchen, was etwa
darinnen wäre. Da hieben sie in den Stamm, aber als Wieland spürte
was sie thaten, da rief er ihnen zu, inne zuhalten, und sagte, daß ein