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2) Nimmt er sechs Loth des besten Arseniks, pulverisiert und
kocht ihn in zwei Kannen Milch und tractiert die Damens
damit. Sobald ihnen übel wird, läßt er sie zwei bis drei
Löffel voll geschmolzenes Blei nachtrinken, und die Gesellschaft
geht gutes Muths und lachend aus einander.
3) Läßt er sich eine Holzaxt bringen und schlägt damit einen
Chapeau vor den Kopf, daß er wie todt zur Erde fällt. Auf
der Erde versetzt er ihm den zweiten Streich, da dann der
Chapeau sogleich aufsteht und gemeiniglich-fragt, was das für
eine Musik sei. Übrigens so gesund, wie vorher.
. 4) Er zieht drei bis vier Damens die Zähne sanft mt8, läßt sie
von der Gesellschaft in einem Beutel sorgfältig durcheinander
schütteln, ladet sie alsdann in ein kleines Feldstück und feuert
sie besagten Damen ans die Köpfe, da denn jede ihre Zähne
rein und weiß wieder bat.
5) Ein metaphysisches Stück, worin er zeigt, daß wirklich etwas
zugleich sein und nicht sein kann. Erfordert große Zube¬
reitung und Kosten, und giebt er es bloß der Universität zu
Ehren für einen Thaler.
6) Nimmt er alle Uhren, Ringe und Juwelen der Anwesenden,
auch bares Geld, wenn es verlangt wird, und stellt jedem
einen Schein ans. Wirst hierauf alles in einen Koffer und
reiset damit nach Cassel. Nach acht Tagen zerreißt jede Per¬
son ihren Schein, und so wie der Riß durch ist, so sind Uhren,
Ringe und Juwelen wieder da. Mit diesem Stück hat er sich
vieb Geld verdient.
NB. Diese Woche noch auf der obern Stube des Kaufhauses,
künftig aber hoch in freier Luft über dem Marktbrunnen. Denn
wer nichts bezahlt, sieht nichts.
Göttingen, den 7ten Jenner 1777.
61.
Der zerbrochene Krug.
Von Heinrich von Kleist.
Aus dem gleichnamigen Lustspiel.
Gesammelte Schriften, herauSg. von Julian Schmidt. Berlin 1859. II, 45.
(Der Frau Marthe Rull, Witwe in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht, ist nachts
ein Krug zerbrochen, und sie belangt den vermeintlichen Thäter Ruprecht — der wirkliche
Thäter ist der Richter Adam selber — vor Gericht. Die folgende Geschichte des Kruges
bildet einen Theil der gerichtlichen Anklage, vorgebracht von der Frau Marthe.)
Acht ihr den Krug, ihr werthgeschätzten Herren?
Seht ihr den Krug? . . .
Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;
Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.
Hier grade auf deni Loch, wo jetzo nichts,
Sind die gesammtcn niederländischen Provinzen