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zu heilen, und bald nahm die Landwirtschaft einen kräftigen Aufschwung. Die
Ablösung der Erbuntertänigkeit machte Fortschritte. Als Entschädigung mußten
die Bauern den Lehnsherren den 25fachen Betrag der jährlichen Dienstleistung
zahlen. Die Regierung erleichterte ihnen die Zahlung, indem sie das Geld
lieh und allmähliche Rückzahlung gestattete. Wiese und Wald, die bis dahin
gemeinsam benutzt wurden, verteilte man an die Gemeindeglieder, und statt der
zerstreut liegenden Ackerstreifen erhielt jeder größere Stücke (Koppeln). Die Drei¬
felderwirtschaft hörte auf, weil der Klee- und Kartoffelbau eine Brache unnötig
machte. Neben der Weidefütternng führte man die Stallfütternng ein. Die
Naturwissenschaft lehrte die verschiedenen Bodenarten richtig behandeln und
düngen, um die Erträge zu erhöhen. Das wirtschaftliche Leben wurde
durch die Einführung der Dampfmaschine völlig umgestaltet. Zahlreiche Fabriken,
die den Dampf als treibende Kraft benutzten, beschäftigten Tausende von
Arbeitern. So bildete sich neben dem Adels-, Bürger- und Bauernstand ein
vierter, der Arbeiterstaud aus. 1825 begann eine regelmäßige Dampfschiffahrt
auf dem Rhein. Die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth wurde 1835
dem Betriebe übergeben. Von großer Wichtigkeit war die Gründung des Deut¬
schen Zollvereins (1834). Bis dahin war nämlich die Einfuhr der Waren
aus einem Bundesstaat in den anderen nur gegen Zoll gestattet. Das war
ungemein lästig und hemmte den Handel sehr. Durch den Zollverein hörte der
Zoll auf, und nun blühte der Handel bald kräftig empor. Der Zollverein
war das erste Band, das Preußen um die deutschen Länder schlang,
und bereitete die künftige Einigung vor. Um das Land besser verwalten
zu können, teilte man es in Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise. An
die Spitze der Provinz wurde ein Oberprüsident, an die Spitze eines
Regierungsbezirks eine Regierung, deren Vorsitzender der Regierungspräsident
ist, und an die Spitze des Kreises der Land rat gesetzt. Sehr viel Gewicht
legte Friedrich Wilhelm III. auf die Bildung des Volkes. Deshalb gründete er
viele neue Schulen. Auch führte er die allgemeine Schulpflicht ein. — Wie
er selber ein frommes Herz hatte, so suchte er auch in seinem Volke kirchlichen
Sinn und wahre Gottesfurcht zu verbreiten. „Ich möchte," sagte er einmal,
„um vieles nicht über ein Volk herrschen, das keine Religion hätte."
1817 vereinigten sich auf seinen Wunsch die Lutherischen und Reformierten zur
evangelischen Union. Wegen seiner Einfachheit und Frömmigkeit wurde er von
seinem Volke sehr geliebt.
XIII. Gründung des neuen Deutschen Reiches.
1. fmdricb ÖJUbelm IV. 1840—1861.
1. Verfaíítmgsfrage. In fast allen Ländern regierten damals die Fürsten
nach ihrem eigenen Willen. Sie gaben Gesetze und legten Steuern ans, ohne
die Meinung des Volkes zu hören. (Unbeschränkte Monarchie.) Auch in Preußen
war das der Fall. Nachdem aber das Volk in den Freiheitskriegen sein Blut
für das Vaterland vergossen hatte, erhoffte es für sich auch eine größere Freiheit.
Vor allem wünschte es, durch selbstgewählte Vertreter bei Beratung der Gesetze
sowie Feststellung der Steuern seinen Willen zum Ausdruck zu bringen. (Be-