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Vorderindien.
§84.
die Westküste Mälabär. Der nördliche Teil, Hindostan, ist Tiefland,
der südliche, Dekhan, ist Hochland. Indien ist reich bewässert. Diebeiden
Hauptströme sind Indus und Ganges. Der Indus durchfließt mit vier
Nebenflüssen desselben das fruchtbare P and sch ab (Fünfstromland). Am
obern Laufe des Indus liegt das reizende Gebirgsland von Käschmir,
dessen herrliches Klima die edelsten Früchte zeitigt. Das Delta des Indus
ist sandig und baumlos. Der Ganges ist den Indern ein heiliger Strom;
mit seinen Mündungen vereinigen sich die des Brahmapütra. Das
Mündnngsland beider Ströme ist sumpfig und bildet waldige Inseln,
Dschungeln (B 16) genannt. In dem Busch- und Schilfdickicht finden
Tiger, Elefanten, Nashörner, Schlangen, darunter die giftige Brillen¬
schlange, ein sicheres Versteck.
Die Feuchtigkeit und tropische Wärme des Tieflandes erzeugen einen üppigen
Pflanzenwnchs. Man gewinnt Reis, Mais, Baumwolle, Zucker, Indigo, Ingwer, im
Winter auch unser Getreide und Gemüse. In den Schlammniederungen gibt der Reis,
das Hauptnahrungsmittel, 2—4 Ernten. Aber nicht selten treten Mißernten ein, und
viele Tausende verhungern alsdann. Der Mohn erreicht eine Höhe von 10 m (Opium).
Von Bäumen findet man die Kokos-, Sago-, Arekapalme, den Banianenbaum u. a. Der
Banianenbanm senkt tauförmige Astwnrzeln in den Boden, die sich zu Stämmen
entwickeln, welche wieder neue Zweige treiben. So kann ein einziger Baum ganze Baum¬
hallen bilden. Die Arekapalme hat Nüsse, die, in Stücke zerschlagen und in die Blätter
des Betelpfeffers gewickelt, von den Einwohnern gekaut werden. Sie vertreten die Stelle
der Zigarren und des Tabaks. Das Banibusrohr, das ganze Wälder bildet, wird
zum Häuserbau benutzt. Auf den Gewässern schwimmt die prächtige Lotosblume, eine
weiße Wasserrose mit kreisrunden Blättern. Die Wälder Indiens sind bevölkert mit
prächtig gefärbten Vögeln (Papageien, Pfauen, Fasanen). Die Erde birgt Diamanten,
Edelsteine, Gold, Steinkohlen und Eisen. Weil Indien ein so gesegnetes Land ist, ist es
seit alter Zeit der Mittelpunkt der Karawanenzüge und der Sammelplatz der Schiffer aus
allen Weltgegenden gewesen.
d. Die Bewohner Vorderindiens (über 295 Mill.) heißen Hindus; sie sind zier¬
lich gebaut und sanften Wesens. Sie verehren drei Hauptgötter: Brahma, den Schöpfer,
Wischnn, den Erhalter, und Schiwa, den Zerstörer. Sie bauen ihren Göttern Tempel
ans Quadersteinen, Pagoden genannt. Früher verehrten sie dieselben auch in unter¬
irdischen Höhlentempeln. Ihre Priester heißen Brahininen. Die Hindus legen sich
viele Bußübungen auf, um sich den Himmel zu erobern. Sie glauben, daß nur die durch
gute Werke, Gebete und Entsagung gereinigte Seele nach diesem Leben in den Himmel
komme, daß dagegen die unreine Seele durch Tiere oder Menschen wandern müsse, um
sich endlich mit dem höchsten Wesen wieder zu vereinigen. Das Volk zerfällt in vier Klassen:
1. Priester, 2. Krieger, 3. Ackerbauer und Kaufleute, 4. Handwerker. Die Parias ge¬
hören keiner Kaste an. In seine Kaste kommt jeder durch seine Geburt; was der Vater-
ist, muß auch der Sohn werden. Neben den Indern wohnen auch noch Araber, Perser,
Inden und Europäer im Lande.
e. politisches. Das Land gehört fast ausschließlich den Engländern und bildet
ein Kaiserreich, welches unter einem Vizekönig steht, der in Kalkutta residiert. Größeren¬
teils ist es den Engländern unmittelbar untergeben; doch gibt es auch sog. „Schutz¬
staaten". Letztere haben zwar ihre besonderen eingeborenen Fürsten, doch sind diese von
England abhängig und dem Vizekönig untergeordnet. Eisenbahnen, Straßen und Kanäle
werden immer mehr angelegt. Die Portugiesen besitzen Goa an der Westküste. Kalkutta,
über 1 Mill. E., Hptst., Handel. Madras, 510000 E., Handel. Bombay sbombej,
über 770000 E., ist durch Gewerbtätigkeit sehr wichtig. Benares, 205000 E-, die