Full text: Lesebuch für Volksschulen

5. Füsse hab’ ich, die können steh’n, 
Können zu Vater und Mutter geb’n, 
Und will es mit dem Laufen und Springen 
Nicht immer so gut, wie ich’s möchte, gelingen, 
Thut nichts, wenn sie nur erst grösser sind, 
Dann geht es noch einmal so geschwind. 
6. Ein Herz, ein Herz hab’ ich in der Brust, 
So klein und klopft doch so voller Lust, 
Und liebt doch den Vater, die Mutter so sehr. 
Und wisst ihr, wo ich das Herz hab’ her? 
Das hat mir der liebe Gott gegeben, 
Das Herz und die Liebe und auch das Leben. Hey. 
13. Das Kauarienvögelchen. 
Ein kleines Mädchen, Namens Karoline, hatte ein allerliebstes 
Kanarienvögelchen. Das Thierchen sang vom frühen Morgen bis an 
den Abend und war sehr schön, goldgelb mit schwarzem Häubchen. 
Karoline aber gab ihm zu essen Samen und kühlendes Kraut, auch 
zuweilen ein Stückchen Zucker und täglich frisches, klares Wasser. 
Aber plötzlich begann das Vögelchen zu trauern, und eines Morgens, 
als Karolins ihm Wasser bringen wollte, lag es todt in dem Käfig. 
Da erhob die Kleine ein lautes Wehklagen um das geliebte Thier 
und weinte sehr. Die Mutter des Mägdleins aber ging hin und 
kaufte ein anderes, das noch schöner war an Farben und eben so 
lieblich sang, wie jenes, und that es in den Käfig. 
Allein das Mägdlein weinte noch lauter, als es das neue 
Vögelchen sah. 
Da wunderte sich die Mutter sehr und sprach: „Mein liebes Kind, 
warum weinest du noch und bist so sehr betrübt? Deine Thränen 
werden das gestorbene Vögelchen nicht in das Leben rufen, und hier 
hast du ja ein anderes, das nicht schlechter ist, denn jenes!" 
Da sprach das Kind: „Ach, liebe Mutter, ich habe unrecht gegen 
das Thier gehandelt und nicht alles an ihm gethan, was ich sollte 
und konnte." 
«Liebe Lina," antwortete die Mutter, „du hast sein ja sorgfältig 
gepflegt!" 
„Ach nein," erwiderte das Kind, „ich habe noch kurz vor seinem 
Tode ein Stückchen Zucker, das du mir für dasielbe gabst, ihm nicht 
gebracht, sondern selbst gegessen." So sprach das Mädchen mit be¬ 
trübtem Herzen. 
„Ach!" sagte die Mutter, „wie mag dem undankbaren Kinde zu 
Muthe sein am Grabe der Eltern!" Krummacher. 
14. Der Kanarienvogel. 
L „Vögelchen, ach, da liegst du todt; 
Suchst dir nie wieder ein Krümchen Brot, 
Siehst mich nicht an mit den Augen hell, 
Hüpfst mir nicht auf die Schulter schnell, 
Singst nun nie mehr mit solcher Lust 
Schmetternd dein Lied aus voller Brust!"
	        
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