Full text: Das Vaterland (4 = 5. u. 6. Schulj)

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des Berges mit Wohlgefallen. Er schickte einen der Zwerge, die um ihn 
waren, hinaus und ließ den Schäfer rufen. Unerschrocken folgte der Schäfer 
feinem Führer und blies dem Kaiser die lieblichsten Weisen vor, die er wußte. 
Als er fertig war, fragte ihn der Kaiser, ob noch die Raben um den Berg 
flögen. „Ja!" antwortete der Schäfer. Da sprach der Kaiser: „So muß ich 
noch hundert Jahre schlafen!" Dann zeigte der Zwerg dem Hirten die prächtige 
Halle, die kostbaren Waffen und Truhen voll Gold und fragte ihn auch, 
welchen Dank er begehre. Als der Schäfer sagte: „Keinen!", da brach der 
Zwerg den Fuß von einem Fasse, reichte ihn hin und sprach: „Nimm das 
und geh!" Der Hirte kam hinauf, und der Berg that sich wieder zu. Der 
Fuß des Fasses aber war von lauterem Golde. — 
Drei Musikanten gingen einst auf den Kyffhäuser. Als sie oben 
angelangt waren, riefen sie: „Wo ist Prinzessin Ute?" Da sing sogleich ein 
Hahn an zu krähen, und neben ihnen stand Ute, Kaiser Rotbarts Tochter. 
Sie begrüßten sie und sagten, daß sie dem Kaiser ein Ständchen bringen 
wollten. Sie spielten drei Stücke, erhielten aber nur Eichenzweige, welche 
ihnen die Prinzessin an den Hut steckte. Unzufrieden mit diesem Lohne, 
rissen zwei von ihnen die Zweige von den Hüten. Darauf gingen sie zum 
Junker der nahen Rotenburg in der Hoffnung, für ihr Spiel mit Golde 
bezahlt zu werden. Vor dem Thore der Burg angekommen, riefen sie: 
„Juchhe, juchhei! Mach' auf, Pförtner, daß wir dem Ritter und seiner 
Gemahlin eins aufspielen!" Dabei schwenkten sie ihre Hüte. Doch sieh! 
an dem Hute des einen Musikanten klinkerte und klankerte es, und wie er 
zusah, hatte er einen goldenen Eichenzweig am Hute. Da eilten die andern 
beiden schleunigst zum Kyffhäuser zurück, um ihre Zweige aufzusuchen, aber 
sie waren verschwunden. Bechstein. 
7. Kaiser aus verschiedenen Käusern. 
27. Rudolf von Habsburg als Richter. 
Von der ungemeinen Geistesgegenwart und Klugheit, mit welcher 
Rudolf das Recht handhabte, giebt folgende Geschichte einen Beweis. Als 
er einst nach Nürnberg kam, um dort einen Reichstag zu halten, baten ihn 
viele Bürger, ihnen Recht zu sprechen. Unter diesen war auch ein Kauf¬ 
mann, der einem vornehmen Gastwirte zu Nürnberg, bei welchem er ein¬ 
gekehrt war, 200 Mark Silber in einem ledernen Beutel aufzuheben gegeben 
hatte. Als der Kaufmann bei seiner Abreise das Geld zurückverlangte, 
leugnete der betrügerische Wirt, welcher keinen Empfangsschein ausgestellt 
hatte, die ganze Sache. Nachdem der Kaiser sich nach allen Umstünden 
genau erkundigt und vom Kaufmanne gehört hatte, daß der Wirt mit 
unter den Abgeordneten der Stadt sein werde, welche an diesem Tage dem 
Kaiser ihre Aufwartung machen würden, so befahl er dem Kaufmanne, 
abzutreten und sich verborgen zu halten. Jetzt kamen die Abgeordneten.
	        
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