Full text: Das Vaterland (4 = 5. u. 6. Schulj)

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der Verwirrung mit der einen Hand in die Tasche und ergriff betroffen 
die Rolle Dukaten. Er zog sie hervor, ward blaß und sah den König 
mit Thränen in den Augen an, ohne ein Wort reden zu können. „Was 
ist dir?" fragte der König. „Ach! Ew. Majestät," erwiderte der Page, 
indem er vor ihm auf die Kniee fiel, „man will mich unglücklich machen; 
ich weiß von diesem Gelde nichts!" — „Ei," sagte der König, „wem es 
Gott giebt, dem giebt er's im Schlafe. Schick's nur deiner Mutter, grüße 
sie und versichere ihr, daß ich für dich und sie sorgen werde." ^ 
2. Frieselbisseii. 
Von einem Dorfe in der Liegnitzer Gegend hatte der König durch den 
Landrat gehört, daß daselbst die Bauern schon wiederholentlich in Strafe 
genommen worden waren, weil sie sich durchaus weigerten, Kartoffeln an¬ 
zubauen, was durch den König angeordnet war. Die Bauern behaupteten, 
man bekäme von den Kartoffeln das Friese!, weshalb sie dieselben auch 
Frieselbissen nannten. Friedrich hatte darauf dem Landrat und anderen 
vornehmen Personen in Liegnitz aufgegeben, nicht nur die Bauern eines 
besseren zu belehren, sondern auch selber Kartoffeln zu essen, damit das 
dumme Volk solchen Beispielen nachfolge. Das alles aber hatte nichts 
geholfen. 
Nach den Hungerjahren 1771 und 1772 passierte der König einst 
dies Dorf und war erstaunt, in dessen Nähe viele schöne Kartoffelfelder zu 
sehen. Er ließ halten, machte das Buch zu, in dem er, wie gewöhnlich 
unterwegs, gerade las, und sagte zu den versammelten Bauern: „Na, hat 
euch der Hunger endlich zu Verstände gebracht? Schmecken die Friesel¬ 
bissen jetzt?" — „Ach ja!" riefen die Bauern. — „Hat schon einer das 
Friesel davon gekriegt?" — „Nein!" war die Antwort.— „Na, da merkt's 
euch, daß ich euch nichts Schädliches anrate, sondern es gut mit euch meine, 
und folgt künftig bei Zeiten." Er schlug das Buch wieder auf und ließ 
weiter fahren. Die Bauern aber sagten: „A hot olles im Buche stiehn, 
was passiert is! A wiß halt emol olles!" 
Überall veranlaßte der große König die Vorgesetzten in Stadt und 
Land, fleißig Kartoffeln auf ihren Tisch zu bringen, ja, er that dies selbst 
aus seinen Reisen zum guten Beispiele für das Volk. So mußte bei seiner 
Anwesenheit in Brieg stets ein Viertel Kartoffeln gekocht werden. Er 
selbst aß einige davon, und seine Gäste und Diener mußten ebenfalls davon 
essen. Ja, einigemale ließ er die dampfenden Kartoffeln auf den Balkon 
des Kommandantenhauses in Brieg bringen und aß hier einige vor den 
Augen des Volkes. 
In solcher Weise sorgte Friedrich für das Wohl seines Volkes. Mit 
Recht verehrten seine Unterthanen den „alten Fritz" wie einen Vater. 
Wenn er unter sie trat in seiner blauen Uniform, den großen dreieckigen 
Hut auf dem Kopfe, die Hand auf den Krückstock gestützt, so war das ein 
festliches Ereignis für alle. Ganz Europa bewunderte ihn. 1786 starb 
er, 74 Jahre alt, nach einer 46jährigen Regierung. Sein Bild wird in 
den Herzen der Deutschen immerdar lebendig bleiben. O. Falch.
	        
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