Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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betn Kronprinzen in einem Dorfe nicht weit von Heidelberg in einer Scheune. 
Gegen 3 Uhr verließ Friedrich in einer Verkleidung die Schlafstätte und wollte 
ein Pferd besteigen. Ein Diener bemerkte es und hielt ihn zurück. Der König 
verbarg zunächst seinen Zorn; erst in Preußen wollte er über den „feigen De¬ 
serteur" Gericht halten. In Wesel fand das erste Verhör statt; der König war 
außer sich vor Zorn und zog den Degen, um Friedrich zu durchbohren. Der 
General von Mosel aber tvarf sich dazwischen und sagte: „Durchbohren Sie 
mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes." Von hier wurde der Kronprinz ans 
die Festung Küstrin gebracht. Ein Kriegsgericht sollte ihn zum Tode verurteilen. 
4. Im Gefängnis. In Küstrin saß Friedrich in einer kleinen Zelle. Als 
er dann von seinem Fenster aus zusehen mußte, wie sein Freund v. Kalte ent¬ 
hauptet ward, ergriff ihn furchtbarer Schmerz, und reumütig bat er seinen Vater 
um Verzeihung. Darauf milderte der König die strenge Haft, und Friedrich mußte 
von jetzt an in der Domänenkammer schriftliche Arbeiten anfertigen, um sich hier 
volkswirtschaftliche Kenntnisse anzueignen. Nach Ablauf eines Jahres ließ ihn 
der König heimlich nach Berlin kommen und führte ihn seiner Mittler mit den 
Worten zu: „Da hast du deinen Fritz tvieder!" 
5. In Nheiusbcrg. Nun stellte ihn der Kötüg an die Spitze eines Regi¬ 
ments, das in Ruppin stand. Der Prinz bezog das in der Nähe der Stadt 
liegende Lustschloß Rheinsberg und gab sich jetzt mit Eifer den soldatischen Übun¬ 
gen hin. Bald erkannte der Vater die großen Fähigkeiten und den militärischen 
Geist seines Sohnes. „O mein Gott," rief er vor seinem Ende aus, „ich sterbe 
zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn zum Nachfolger habe." 
b. Der Siebenjährige Krieg. 1756—1763. 
1. Ursache. Friedrichs Wahlspruch war: „Für Ruhm und Vaterland!" 
Diesem Wahlspruch gemäß handelte er attch. Das zeigte sich besonders in den 
3 Schlesischen Kriegen. Gleich nach seiner Thronbesteigung mußte Friedrich für 
Schlesien zweimal (im 1. und 2. Schlesischen Kriege) ins Feld ziehen. Nach einem 
alten Erbvertrage (S. 20) hätte nämlich schon der Große Kurfürst Schlesien erben 
müssen, aber der Kaiser hatte Schlesien in Besitz genommen und dem Kurfürsten 
nur einen kleinen Landstrich an der Oder dafür abgetreten. Friedrich ging aus beiden 
Kriegen als Sieger hervor und schlug die Österreicher u. a. bei Mollwitz 1741 und 
bei Hohensriedberg 1745. Maria Theresia, die Herrscherin von Österreich, aber 
hatte nur den einen Gedanken, Schlesien zurückzuerobern. Daher sah sie sich unter den 
zahlreichen Neidern Friedrichs II. nach Bundesgenossen um. Solche fand sie an 
Frankreich, Rußland, Sachsen und Schtveden. Es wurde verabredet, 1757 un¬ 
vermutet über Friedrich herzufallen und ihm einen Teil seiner Länder abzunehmen. 
2. Das Jahr 1756. Friedrich aber erhielt von diesem geheimen Bündnis 
Kunde. Ehe die Feinde sich dessen versahen, stand er mit seiner Armee in Sachsen 
und schloß die sächsische Armee bei Pirna ein. Zu ihrer Befreiung rückten die 
Österreicher heran. Aber Friedrich zog ihnen entgegen und schlug sie bei Lo wo sitz. 
Bald darauf mußte sich auch die sächsische Armee ergeben; denn sie hatte nur auf 
15 Tage Lebensrnittel. 
3. Das Jahr 1757. a. Prag. Im nächsten Frühjahre rückte Friedrich in 
Böhmen ein. Bei Prag standen die Österreicher auf einem Berge. Schwerin 
riet, noch einen Tag mit dem Angriff zu warten. Friedrich aber sagte: „Frische 
Fische, gute Fische!" und sofort ging es in die Schlacht. Die Truppen konnten 
jedoch nur langsam auf dem sumpfigen Boden vorrücken, und viele wurden von 
den feindlichen Kugeln niedergestreckt. Schon gerieten die Reihen ins Schtvanken. 
Da sprengte der greise Feldmarschall Schwerin selbst heran, riß einem Fähnrich
	        
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