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bürg blutete aus tausend Wunden, die der dreißigjährige Krieg
dem Lande geschlagen. Da wurde die Fürstin den Unterthanen
eine treue Helferin in ihrem Elende. Die gute holländische Art,
den Acker zu bauen und des Viehes zu warten, führte sie unter
ihrem Volke ein; auch gründete sie die Musterwirtschaften, die
sie selbst beaufsichtigte. Zucht und gute Sitte suchte sie unter
der heranwachsenden Jugend zu verbreiten; sie war eine Ver¬
sorgerin der Armen, eine Pflegerin der Kranken; sie stiftete Schulen
und Waisenhäuser, teilte auch immer getreulich ihres Gemahles
schwere Regentensorgen. Oft, wenn der große Kurfürst bei all
seinem tapfern Mut schier verzagen wollte in den bösen Krieges¬
zeiten, hat ihm Luise mit weisem Rat, heldenmütigem Zuspruch
und freundlicher Sanftmut zur Seite gestanden. Daheim aber in
ihrem Schlosse las sie Gottes Wort mit Fleiß und Andacht und
sang und spielte ihrem Gott und Herrn liebliche Lieder. Demütig
nahm sie hin, was er ihr schickte; und als sie, noch nicht volle
40 Jahre alt, fühlte, daß es mit ihr zu Ende gehe, daß sie Gemahl
und Kinder verlassen müsse, da seufzte sie wohl einmal: „Wie
bitter ist doch der Tod!“ aber dann getröstete sie sich auch wieder
ihres Heilandes, der sie in der Schule der Leiden zum Scheiden
vorbereitet und gestärkt hatte. Am 8. Juni 1667 ist sie in der
Hoffnung, daß Gott ihr ein gnädiger Richter sein werde, von
hinnen geschieden. Der große Kurfürst trauerte lange um den
Verlust der treuen Gefährtin seines Lebens. Nachmals hat man
ihn oft vor ihrem Bildnisse gesehen und den Seufzer gehört: „O
Luise, wie sehr vermisse ich deinen Rat!“ Und als es nun auch
mit ihm zum Tode ging, da vernahm man noch zuletzt aus seinem
Munde die Worte der Schrift (Hiob 19, 25), nach welchen seine
Luise ihr köstliches Lied gedichtet hatte.
Im Jahre 1850 schenkte König Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen der Stadt Oranienburg, in welcher die Kurfürstin
Luise Henriette sich am liebsten aufgehalten hatte und die auch
nach ihr benannt worden war, eine Glocke mit der Inschrift: „Jesus,
meine Zuversicht und mein Heiland ist im Leben!“ Auch ist einige
Jahre später der frommen Mutter unsers Königshauses in derselben
Stadt ein Denkmal gesetzt worden. Nach Ed. Em. Koch u. a.
108. Das Gewitter.
Am 30. Juni 1828 schlug der Blitz in ein von zwei armen Familien bewohntu Haus
der Württembergischen Stadt Tuttlingen und tötete von den zehn Bewohnern des¬
selben vier: ein Mädchen, deren Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Fieses er¬
schütternde Ereignis war die Veranlassung zu folgendem Gedichte:
1. Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
ln dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl; —
Wie wehen die Lüfte so schwül!