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70. Der Löwe. 
Der Löwe wird wegen seiner Stärke und wegen seines Mu¬ 
thes der König der Thiere genannt. Man findet ihn in ganz 
Afrika. Br liebt für seinen Aufenthalt Ebenen, Thäler oder Hü¬ 
gelland, wo es Buschwerk giebt; nie aber hält er sich in hohen 
Gebirgen auf. Im nördlichen Afrika ist er durch die vielen Jag¬ 
den, welche man seines herrlichen Felles wegen ans ihn macht, 
fast ganz ausgerottet. Selbst in den unermesslichen Einöden der 
Sahara schweift er umher, zum Schrecken der Karavanen, die 
durch dieses Sandmeer ziehen. Bei >Tage ruht er im Dickicht 
oder in einer schattigen Höhle. Hier wirft auch die Löwin im 
Hochsommer ein oder zwei Junge, so gross wie kleine Hunde. 
Ist das Thier ausgewachsen, so misst es von der Nase bis zur 
Schwanzwurzel acht Fuss. Seine Höhe beträgt drei bis vier 
Fuss. Am Kopfe und an der Brust ziert das gelbe Fell des 
Männchens eine dichte buschige Mähne, die sich, wenn das 
Thier zornig ist, hoch aufsträubt. 
Ist die Sonne herabgesunken und die Nacht mit ihrem lan¬ 
gen Schatten im Anzuge, dann erhebt sich der Löwe von seinem 
Lager, reckt seine Glieder und schlägt sich knurrend und gäh¬ 
nend die Weichen. Im weiten Umkreise ist kein Thier; denn 
alle fürchten den gewaltigen Beherrscher, dessen Brüllen dumpf 
wie ferner Donner grollt. Nun macht er sich auf, schreitet mit 
stolzem Gange, langsam den Schweif in schön geschwungenem 
Bogen tragend, vorwärts. Bald hebt er sein majestätisches 
Haupt hoch in die Luft. Er wittert seine Beute. Ein Schaf 
graset in der Nähe eines Beduinenlagers. Vorsichtig schleicht 
er näher und näher. Das Schaf stutzt und zittert; denn es hat 
seinen fürchterlichen Feind gewittert. Aber ehe es noch dem 
Lager zueilen kann, stürzt mit ungeheurem Sprunge der Löwe 
auf seinen Nacken, schlägt seine grimmen Krallen in Brust und 
Bauch und tödtet das stöhnende Thier mit zermalmendem Bisse 
seiner kräftigen Zähne. Darüber entsteht Lärmen im Lager. Die 
Thiere sind unruhig geworden; die Männer greifen zu den Büch¬ 
sen und Lanzen; die Hunde schlagen wüthend an. Bevor jedoch 
die kühnen- Beduinen aus dem Lager herausgetreten sind, hat 
sich der Löwe seine Beute über den Nacken geworfen und ent¬ 
flieht in mächtigen Sprüngen. 
Ueberall, wo es Beduinen giebt, findet sich auch der Löwe 
an, da er weiss, dass es ihm in ihrer Nähe an Frass nicht fehlt. 
Aus den Heerden der Araber holt er sich auch da, wo es an 
anderem Wilde nicht fehlt, sein Futter am häufigsten. Auf der 
Weide zerstreuen sich die Heerden über einen ziemlich weiten 
Kaum, wo der Löwe leicht ein vereinzeltes Schaf oder Pferd 
ergreift. Durch Flintenschüsse und Feuer verscheucht man ihn 
gewöhnlich leicht. Nächst dem Vieh der Beduinen ist das 
Fleisch des Ebers die Hauptnahrung des Löwen. Den Menschen 
«•reift derselbe nur dann an, wenn er keine andere Nahrung 
inden- kann und vom Hunger getrieben wird. Dann stürzt er 
wohl gar aus einem Hinterhalte auf grosse Karayanen. Ge-
	        
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