Full text: Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten

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einen tüchtigen Handwerkerstand heranzubilden. So müssen bei 
den Zwangsinnungen Prüfungsausschüsse gebildet werden, 
deren Beisitzer zur Hälfte aus den Gesellen genommen werden, 
die eine Gesellenprüfung bestanden haben. Diese Gesellen werden 
von den Gesellenausscbüssen, die bei den Innungen zu bilden 
sind, zu Beisitzern bestimmt. Bei den Nicbtzwangsinnungen werden 
nur dann Prüfungsausschüsse gebildet, wenn ihnen die Handwerks¬ 
kammer die Ermächtigung zur Abhaltung der Prüfungen erteilt. 
Als Wilhelm 21 Jahre alt war, durfte er, weil er sich im 
Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befand und bei einem Innungs¬ 
meister in Arbeit stand, sich mit den anderen volljährigen Ge¬ 
sellen bei Innungsmeistern an der Wahl solcher Gesellen beteiligen, 
die die Gesellenausschüsse bilden sollten. Sie konnten 3, 5 und 
mehr Mitglieder dieser Ausschüsse wählen. Diese mussten Deutsche 
und 30 Jahre alte Gesellen sein, die die bürgerlichen Ehrenrechte 
besassen, 2 Jahre Wohnsitz in der Gemeinde hatten usw., mithin 
zum Amte eines Schöffen befähigt waren. 
Da es Wilhelms eifrigstes Bemühen war, einst in solchem 
Gesellenausschuss für eine gesunde Entwicklung seines ehrenwerten 
Standes wirken zu können, versäumte er nichts, um die ihm noch 
fehlenden Kenntnisse sich anzueignen. Er fand, dass die Gesellen¬ 
ausschüsse bei den Handwerkskammern von ganz besonderer 
Bedeutung sind, denn sie haben bei der Regelung des Lehrlings¬ 
wesens sich zu beteiligen, wenn es sich um die Vorschriften für 
die Ausbildung der Lehrlinge handelt. Aber auch bei der Ein¬ 
richtung von Arbeitsnachweisen, Herbergen, Krankenkassen, über¬ 
haupt bei allen Einrichtungen, die für Lehrlinge und Gesellen in 
Betracht kommen, haben jene Gesellenausschüsse mitzuwirken. Nicht 
minder sollen bei der Verwaltung von Einrichtungen, für die 
die Gesellen und Gehilfen Aufwendungen zu machen haben, Gesellen, 
die vom Gesellenausschuss gewählt werden, in gleicher Zahl sich 
beteiligen wie die Innungsmitglieder. Von seinem im Gesellenaus¬ 
schuss sich befindenden Altgesellen hörte Wilhelm, dass alle Mit¬ 
glieder des Ausschusses bei der Beratung und Beschlussfassung der 
Innungsversammlung mit vollem Stimmrechte mitwirken und dass 
auch bei der Beratung und Beschlussfassung des Innungsvorstandes 
mindestens ein Mitglied des Ausschusses mit vollem Stimmrecht 
zuzulassen sei. Es leuchtete Wilhelm ein, dass diese Rechte der 
Gesellenausschuss ausüben müsse, wenn er den ihm obliegenden 
Pflichten erfolgreich nachkommen will. 
Da während der ersten sechs Jahre nach dem Inkrafttreten 
des Gesetzes — also bis 1906 — nicht immer Gesellen vorhanden 
sein werden, die die Gesellenprüfung bestanden haben, so be¬ 
stimmt das Gesetz, dass in dieser Zeit auch solche Gesellen in den 
Ausschuss gewählt werden können, die nachzuweisen vermögen, dass 
sie mindestens eine zweijährige Lehrzeit durchgemacht haben. 
Der Altgeselle Wilhelms verliess leider das Geschäft und trat 
hei einem Nichtinnungsmeister im Bezirke der Innung in Arbeits-
	        
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