Metadata: Abriß der Allgemeinen Erdkunde, Erdkundliches Lesebuch (H. 4)

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II. Erdkundliches Lesebuch. 
sie vor allen anderen Städten in der Welt verdient wegen ihrer Größe und 
Schönheit und auch wegen der Kurzweil, Freude und Wollust, die man 
dort findet, so daß die Einwohner glauben können, sie weilten im Paradiese. 
Die Stadt wurde öfters von Marco Polo besucht, der sorgfältig und 
fleißig alles beobachtete und sich nach allem erkundigte, was sie betraf. 
Er machte sich Aufzeichnungen, aus denen folgende Einzelheiten wieder- 
gegeben werden sollen. 
Nach der allgemeinen Schätzung hat die Stadt hundert Meilen 
im Umfange. Ihre Straßen und Kanäle sind sehr weit, und es gibt da- 
selbst Marktplätze, die eine außerordentlich große Ausdehnung haben, weil 
sie eine ungeheure Menschenmenge aufnehmen müssen. Auf der einen 
Seite der Stadt liegt ein See mit frischem, klarem Wasser, anf der 
andern aber ein Strom, dessen Wasser durch zahlreiche große und kleine 
Kanäle in die Stadt geleitet wird. Diese führen allen Schmutz in den 
See und von dort in das Meer, so daß stets eine reine und gesnnde 
Luft in der Stadt vorhanden ist. Überall kann man auf deu Gassen 
gehen, fahren und reiten und daneben auf den Kanälen in Schiffen da- 
hingleiten. Die Straßen und Kanüle sind so groß, daß sie Raum 
bieten für die Boote auf der einen und für die Wagen auf der andern 
Seite, welche ganz bequem mit den für die Bedürfnisse der Bewohner 
nötigen Gegenständen dahinfahren können. Man sagt allgemein, daß die 
Zahl der Brücken, der großen und kleinen, sich auf zwölftausend belaufe. 
Die, welche über die Hauptkanäle geschlagen sind und in Verbindung 
mit den vornehmsten Straßen stehen, haben so hohe und mit solcher 
Kunst aufgerichtete Bögen, daß Schiffe mit ihren Masten unter ihnen 
wegfahren können, während zu gleicher Zeit über sie Karren und 
Menschen hinwegziehen; so gut ist auch der Auf- und Abstieg von den 
Straßen der Höhe des Bogens angepaßt. Wären diese Brücken aber 
nicht so zahlreich, so könnte man nicht so bequem von einem Platze zum 
andern gelangen. 
Außerhalb der Stadt zieht sich ein Graben, der sie auf der einen 
Seite umfaßt, etwa vierzig Meilen hin; er ist sehr breit und mit Wasser 
Chinesischen nicht mächtig. Der alte Name Quinsai (eigentlich King-tsze) heißt Residenz. 
Jbn Batüta (um 1340), ein arabischer Reisender, nennt Hangtschoufu die größte von 
allen Städten der Erde. Seit 1127 hatten die Kaiser ihren Wohnsitz in ihr. Die 
Mongolenkaiser verlegten ihn später nach Peking: aber durch den Großen Kanal hob 
sich unter ihnen die Handelsbedeutung des Platzes, der eine Hauptoermittlungsstätte 
für den Binnenverkehr aus dem s. China (Reisfrachten!) ins n. wurde. Die Entfer- 
nungsangabe M. Polos bezieht sich auf das n. gelegene Wukiang (bei Polo Vagin).
	        
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