Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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Aus den gestempelten Umschlügen wurden in der Folge die Frankocouverts, 
und endlich löste sich von diesen die Freimarke, die sich jetzt sogar 
im bürgerlichen Leben und Kleinverkehr eine Stelle als Zahlungsmittel 
erworben hat. 
Als das Jahr 1866 den Machtbereich des Preußischen Staates 
erheblich ausdehnte und den ganzen Norden Deutschlands unter Preußen 
als Vormacht einigte, da mußte die Taxissche Post verschwinden. Die 
350jährige Gerechtsame des Hauses ward um die Abfindungssumme von 
9 Millionen Mark beseitigt, und der ganze Apparat, einschließlich der 
Generalpostdirektion zu Frankfurt am Main, ging an den Preußischen 
Staat über, nicht ohne daß die Taxissche Verwaltung noch den Versuch 
gemacht hätte, sich durch Eingehen auf die Forderungen der Neuzeit zu 
behaupten. 
Auch der überseeische Postverkehr hatte durch die ausblühende Dampf- 
schifsahrt eine neue Entwicklungsstufe erreicht, man ließ fast bei jedem 
Wind und Wetter die Postschiffe zu bestimmter Stunde in See gehen. Der 
Norddeutsche Lloyd arbeitete Hand in Hand mit der deutschen Post und 
gewährte dadurch die größten Vorteile. Innerhalb des Deutschen Reiches 
woben die Eisenbahnen immer engere Netze, wodurch der Postverkehr an 
Schnelligkeit gewann. 
Der Generalpostmeister Stephan hatte seine erste folgenreiche Idee bereits 
1865 der „fünften deutschen Postkonferenz", die in Karlsruhe tagte, vorgelegt, 
nämlich eine Denkschrift, die zur Erleichterung und Beschleunigung des Post¬ 
verkehrs die Einführung eines „offenen Briefes in gedrängter Form" empfahl, 
die Postkarte. Stephan nannte seine Erfindung „Postblatt". Er mußte 
aber fünf Jahre warten, ehe er seine Idee verwirklicht sah. Erst kurz 
vor Ausbruch des Deutsch-französischen Krieges erfolgte endlich seitens der 
deutschen Postverwaltung die Einführung der „Korrespondenzkarte". Wie 
sehr die Post damit einem längstgefühlten Bedürfnisse entgegenkam, erhellt 
daraus, daß gleich am ersten Tage der Einführung, am 25. Juni 1870, 
allein in Berlin nicht weniger als 45000 Stück der neuen Karten verkauft 
wurden. Noch deutlicher zeigte sich die Trefflichkeit der Postkarte während 
des Krieges. Sie war es vor allem, welche den Verkehr unserer tapferen 
Truppen mit den Lieben in der Heimat vermittelte. Durch die Leichtigkeit 
ihrer Anwendung vermochte der Soldat im Felde recht oft Nachricht zu 
senden; ja sogar nach eben beendeter Schlacht oder nahe dem Tode im 
Lazarett, wo ein Brief der Umständlichkeit halber nicht zustande gekommen 
wäre, vermochte der Krieger noch einige Worte auf die Postkarte zu 
kritzeln. Der Umsatz an Postkarten betrug denn auch während der ersten 
fünf Monate nicht weniger als 10 Millionen Stück. 
Aber nicht nur für den Krieg, sondern hauptsächlich auch für die Zwecke 
des Handels gewann die Postkarte weitgehende Bedeutung. Das Be¬ 
dürfnis nach schriftlicher Mitteilung wuchs in demselben Verhältnis wir 
die Leichtigkeit und Billigkeit der Beförderung. 
Bald nach Deutschlands politischer Einigung erging auf Anregung 
von Deutschlands tüchtigstem Postmann, dem weitschauenden Generalpost¬ 
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