87. Licht.
Selbst die kranke Kellerpflanze, die so bleich emporgeschossen,
wendet noch dem Tagesglanze sehnsuchtsvoll die matten Sprossen,
rünft hinauf sich, wo das Licht durch die kleinen Gitter bricht.
Und der Mensch, der Schöpfung König, sollte stummer vege¬
tieren: tiefem Dunkel unterthänig, sich in Finsternis verlieren?
Kann er's denn verstehen nicht, was Natur und Pflanze spricht?
Suche nur die helle Wahrheit und du wirst gewiß sie finden,
doch gewöhne dich an Klarheit, daß die Augen nicht erblinden.
Ninge stets und raste nicht, freudig hebe dich zum Licht.
Ed. Boas.
88. Morgenrot und Abendrot.
Des Tages Nahen, wie sein Scheiden,
Schmückt beides er mit gold'nem Schein,
Und seine Wonnen oder Leiden
Malt er mit Purpurfarbe ein.
Das Morgenrot, im Osten offen,
Es kündigt froh die Sonne an,
Erglüht ein schönes Flammenhoffen,
Wie es sich nie erfüllen kann.
Das Abendrot, so rosig stille,
Von leichter Wolkenschar umsäumt,
Den Tlbglanz nur von Freudenfülle,
Die du beim Morgenrot geträumt.
Für beide gibt die gold'ne Sonne
Die purpurgold'nen Strahlen her:
Doch einstens folgt auf Morgenwonne
Kein scheidend Abendrot uns mehr!
Emma v. Mndors.
89. Z>er Morgen.
. . Die Nacht ist vorüber, es wird hell, die Morgendämnieruug
osglnnt. ' Die Hähne haben sie schon eine Zeit laug verkündigt,
le erwachenden Vögel zwitschern vor den Fenstern. Die Landleute
m?lQifcn ihre Betten, füttern das Vieh im Stalle, schirren die
Merde an und gehen an ihre Arbeit. Die Sonne ist unterdessen
Mer den Bergen hervorgekommen, ihre Strahlen wecken die noch
ndeu Tiere. Die Bienen fliegen aus ihrem Stocke hervor
"0 suchen in den Blüten Honig, die Tauben auf den Hof oder
schütz, dritte Klaffe 5