Edle Selbsiverläugnung. i*5 
Zeitalters, die durch beständige und öfters ungegründete 
Klagen angegriffen wird: als seye die großmüthige Selbst 
Verläugnung nur ein Eigenthum der alten Welt. 
Wahrheits-Liebe und Wahrhaftigkeit. 
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Justin der Märtyrer, ein Kirchenlehrer des zwey¬ 
ten Jahrhunderts, war anfangs ein Heide; hatte aber 
eine so aufrichtige Liebe zur Wahrheit, daß er nichts sehn¬ 
licher wünschte, als eine richtige Erkenntniß von Gott zu 
erlangen. £);eser redliche Trieb nach Wahrheit war daher 
'gleichsam der Punkt, von welchem die Vorübung aus- 
gleng, ihn zur lautersten Quelle derselben zu führen. Ju¬ 
stin durchwanderte alle Schulen der heidnischen Weltweisen. 
Anfangs ließ er sich von einem der stoischen Philosophie 
zugethanen Lehrer eine geraume Zeit unterrichten. Allein 
da ihm dieser keine richtigen Begriffe von Gott beybrachte, 
weil er selbst nur eine sehr leichte Erkenntniß vvn dem 
höchsten Wesen hatte, so verließ ihn Justin, und wandte 
sich zu einem Peripatetiker, den er aber auch bald wieder 
ausgab. Hierauf verfiel er auf die Platonische Welt-Weis- 
heit, und bekam einen angesehenen Lehrer aus dieser Sekte; 
zog ihre Lehrsätze allen andern vor, und fieng an, sie in 
reifere Uebcrlegung zu ziehen. So weit nun führte die 
Vorsehung den wißbegierigen Jüngling durch alle schein» 
bar§ Weisheit der heidnischen Philosophen hindurch, um 
ihn bald an die ächte Quelle derselben zu bringen. Da¬ 
durch- daß er überall Wahrheit suchte, lernte er sie prü¬ 
fen; und Prüfung ist eine Haupt. Forderung des Christen¬ 
thums: dadurch aber, daß er sie nirgends bey seinen heid¬ 
nischen Lehrern fand, wurde ihm die Weisheit Jesu, die 
ihn völlig befriedigte, und noch unendlich weit über seine 
platonische Philosophie, die er bisher für die beste gehal¬
	        
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