1. Teil.
Das Sraatsrechr.
1. Kapitel.
Aerrtsche Weich.
a. Die Entstehung des Reichs.
Während in anderen Staaten Europas (z. B. in Frankreich) im 40
Laufe des Mittelalters das Königtum immer mehr erstarkte, trat in
Deutschland die entgegengesetzte Entwicklung ein. Die deutschen
Kaiser zerrieben ihre Kräfte in erfolglosen inneren und äußeren
Kämpfen, indes die Macht der Landesherren ständig wuchs. So war
das Schicksal des Reichs bereits besiegelt zur Zeit des Westfälischen
Friedens (1648), der allen Fürsten die Landeshoheit und das Recht
zugestand, Krieg zu erklären und Frieden sowie Bündnisse mit aus¬
wärtigen Mächten zu schließen. Immer niehr verblaßte und schwand
die kaiserliche Gewalt. Sie ließ es geschehen, daß im Frieden von
Lüneville (1801) das ganze linke Rheinufer an Frankreich siel?
Nachdem ferner im Jahre 1806 die unter Napoleons Protektorat
stehenden Rheinbunds st aaten zu voller Souveränität gelangt
lvaren und sich förmlich vom Deutschen Reich losgesagt hatten, erlosch
endlich mit der N i e d e r l e g u n g der K a i s e r w ii r d e durch
Franz II. am 6. August des gleichen Jahres auch der Form nach das
tausendjährige Deutsche Reich.
Wohl schüttelte in den Freiheitskriegen von 1813 bis 1816 das
deutsche Volk das Joch der französischen Fremdherrschaft ab, aber zu
einer inneren Einigung und Erstarkung führten diese ruhmvollen
* Die hierdurch geschädigten Fürsten wurden durch das letzte Gesetz des
alten Deutschen Reichs, den Reichsdeputationshauptschluß
vom Jahre 1803, schadlos gehalten im Wege der Einziehung der selb¬
ständigen geistlichen Herrschaften (sog. Säkularisierung) sowie durch
Verwandlung reichsunmittelbarer weltlicher Herrschaften in mittelbare,
der. Landesherrschaft unterstellte (sog. Nt e d i a t i s i e r u n g). Auf diese
Weise sank die Zahl der Landesherrschaften von 296 aus 82 und später durch
die Rheinbundakte (1806) und die Beschlüsse des Wiener Kongresses weiter
auf 38.