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wie wir jetzt wissen, schon im Frühjahr 1914 die seit langem vorbereitete 
Mobilmachung. 
Anfang Juni besuchte ein britisches Geschwader russische Häfen, 
und dabei wurde in Kronstadt in herausfordernder Weise von den ge¬ 
meinsamen Zielen gesprochen. Am jedoch den Deutschen keinen Anlast 
zum Argwohn zu geben und um zugleich den Hafen auszuspionieren, 
lief es auf der Rückfahrt Kiel an und lag hier vor Anker, als am 
28. Juni 1914 das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar in Serajewo 
dem Anschlag einer serbischen Verschwörung zum Opfer siel. Dadurch 
wurde die ungeheure Spannung der letzten Jahre zur Entladung gebracht 
und die Welt in Flammen gesetzt. 
Im Juli 1914 reiste PoincarZ nach St. Petersburg, und hier 
wurden sicherlich die letzten Abmachungen für den Weltkrieg verabredet. 
Daß sowohl in England, wo der Bürgerkrieg vor der Türe stand, 
weil die evangelischen Bewohner Irlands (Alster-Leute) sich der Selb¬ 
ständigkeit Irlands mit bewaffneter Hand widersetzen wollten, als auch 
in Frankreich (Fall Caillaux-Calmette) innere Schwierigkeiten sich er¬ 
hoben, hat den Ausbruch des Weltbrandes noch gefördert. 
VIII. Abschnitt. 
Oer ñusdruch des Weltkrieges 1914. 
Die österreichische Untersuchung wies klar nach, daß der Mord in 
Serajewo auf unmittelbares Anstiften der serbischen Regierung zurück¬ 
zuführen sei. Österreichs Lebensinteressen und Ehre forderten Genug¬ 
tuung und unbedingte Gewähr gegen eine Fortsetzung der serbischen 
Wühlarbeit. An eine Vernichtung der serbischen Selbständigkeit dachte 
es keineswegs. Damit war Deutschlands Pflicht, Österreich in treuer 
Vundesgenossenschast beizustehen, vorgezeichnet. Die Erhaltung Öster¬ 
reichs als einer unabhängigen Großmacht ist für Deutschland ein 
Lebensbedürfnis; denn das Verschwinden der österreichischen Großmacht 
würde eine unmittelbare Gefahr für Deutschland sein. Wir würden 
von Rußland abhängig, vom asiatischen Wirtschaftsgebiet ausgeschlossen 
und verlören die Herrschaft über die Ostsee, wenn Rußland im Osten 
Europas allmächtig würde. Rur Österreich aber kann hier ein Gegen¬ 
gewicht bilden. 
Bei unseren Gegnern aber traten die Cinkreisungsverträge in 
Kraft. Rußland wollte den vorgeschobenen Balkanstürmer nicht wieder 
fallen lasten, und hinter ihm standen Frankreich und England. Mochten 
auch in England sich einzelne Regierungsstimmen gegen die Teilnahme 
am Krieg erheben, die Leiter des Landes wünschten den Krieg und 
wollten sich das Werkzeug, das sie zielbewußt gegen Deutschland ge¬ 
schaffen hatten, nicht aus der Hand schlagen lassen. Cs war nur die 
Frage, ob sie neutral bleiben oder tätig mit eingreifen sollten. Viele 
Gründe sprachen dafür, zuzusehen, wie die anderen sich gegenseitig 
schwächten, um den Gewinn einzustreichen und nötigenfalls durch ihr 
Einschreiten die Entscheidung herbeizuführen. England glaubte zu 
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