fullscreen: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der neuern und neuesten Geschichte] (Theil 4)

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bilder seien; Luther dagegen wollte die Worte: „Das ist mein 
Leib", wie auch das Wort „Blut" wörtlich verstanden haben. 
Wohldenkende Männer und begeisterte Anhänger der Reformation, 
wie Landgraf Philipp der Großmüthige von Hessen und 
Andere, wünschten zum Heile des evangelischen Glaubens eine Bei¬ 
legung des Streites und veranstalteten deßhalb zwischen den beiden 
Männern das Religionsgespräch zu Marburg (l—3. Oct. 
1529), zu welchem sich von der einen Seite Zwingli und O e- 
kolampadius (Hausschein) aus Basel, von der andern Lu¬ 
ther und M e l a n ch t h o n einfanden. 
Leider führte dieses Gespräch die Gemüther der, nach einem 
hohen Ziele strebenden, Männer nicht näher. In sanftmüthiger 
Weise trug Zwingli seine Ansicht vor; Luther aber blieb bei seiner 
Auffassung stehen, indem er äußerte: ,,Meine allerliebsten Herren, 
dieweil der Text meines Herrn Jesu Christi allda stehet: „Das 
ist mein Leib", so kann ich wahrlich nicht vorüber, sondern muß 
bekennen und glauben, daß der Leib Christi da sei." 
Mit Thränen in den Augen bat Zwingli den von ihm hoch¬ 
verehrten Luther, sich mit ihm zu vereinigen. „Es sind keine 
Leute auf der Erde", sagte er, „mit denen ich lieber wollte eins 
sein, als mit den Wittenbergern." 
Luther vereinigte sich aber nicht, denn er war von der Rich¬ 
tigkeit seiner Auffassung zu tief durchdrungen. 
Die Anhänger Zwingl's bildeten nun von da an eine eigne 
Religionsgesellschaft und nannten sich „Reformirte" (die refor- 
mirte Kirche), die Anhänger Luther's „Lutheraner". 
Eine der erfreulichsten Erscheinungen der neuern Zeit ist, daß 
die Lutheraner und Reformirten in vielen Ländern sich vereiniget, 
und den gemeinschaftlichen Namen evangelische Christen an¬ 
genommen haben. Luther hatte in seiner feurigen Weise gegen die 
Reformation bisweilen ein hartes Wort gesprochen; allein noch am 
Abende seines Lebens schrieb auch er an die Schweizer: „Wo wir 
je einander nicht gänzlich verständen, so ist jetzt das Beste, daß 
wir gegen einander freundlich seien und uns immer das Beste ge¬ 
gen einander versehen, bis alles trübes Wasser sich vollends ge¬ 
setzt hat." — 
Zwingli, der als Gründerder reformirten Kirche betrach¬
	        
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