bißchen weniger zu sagen haben soll. Und weil das so ist, darum
ist es schließlich auch möglich geworden, daß sich die beiden Par-
teien geeinigt haben. Aber furchtbar schwer war es deswegen,
weil sich die beiden Parteien viele Jahrzehnte lang grade über
diese Sachen so sehr gestritten haben. Und wenn es nun dem
Reichskanzler Fürst Bülow gelungen ist, die beiden Parteien dahin
zu bringen, daß sie sich über das Vereinsgesetz einig geworden sind,
so hat er damit immerhin etwas zustande gebracht, was sehr viele
Leute vorher für ganz unmöglich erklärt haben.
Der Paragraph, über den sich die Konservativen und Libe¬
ralen am allerschwersten geeinigt haben, und an dem beinah die
ganze Einigung entzwei gegangen wäre, das war der § 7 des
Vereinsgesetzes.
Wenn nämlich viele Menschen zusammenkommen und über
irgend etwas zusammen sprechen wollen, so ist dazu durchaus nötig,
daß jeder, der da spricht, von allen denen, die da zuhören, ver-
standen wird. Und wenn etwa Chinesen und Japaner, Russen
und Polen, Deutsche, Franzosen und Engländer in einem
einzigen Saal zusammenkämen, so wäre das doch keine richtige
Versammlung, denn da wäre es ja gar nicht möglich, daß irgend
einer so spräche, daß alle ihn verstehen.
Wenn nun in Deutschland die Leute zusammenkommen und
über irgend etwas gemeinsam beraten wollen, so sollte man denken,
es wäre selbstverständlich, daß sie dann deutsch sprechen. Aber
wir haben in Deutschland mehrere Millionen Menschen, die zu
Hause eine andere Sprache sprechen als deutsch. Da sind im
Elsaß und in Lothringen manche, die sprechen zu Hause französisch,
oben im Norden von Schleswig-Holstein sind diele., die sprechen
zu Hause dänisch; und dann in den östlichen Provinzen, in West-
preußen, Polen und Schlesien, aber auch sonst im Lande, sogar
bei Leipzig und vielfach in Berlin, und dann nach Westen hin,
in Westfalen, da gibt es viele Leute, die sprechen zu Hause pol¬
nisch. Wenn die nun zusammen kommen und eine Versammlung
halten wollen, wie sollen sie dann sprechen?
Da könnte man nun auch wieder meinen, das wäre sehr
einfach: das könnten sie machen wie sie wollen. Wenn also Leute
zusammenkämen, die zu Hause polnisch sprechen, dann
könnten sie einfach polnisch sprechen.
Aber wenn das erlaubt ist, dann ist es doch eigentlich so, als
wenn wir nicht mehr im Deutschen Reich wären, sondern als ob
da in der Versammlung ein Stück polnisches Reich wäre!
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