gehen würde oder daß auch nur eine größere Anzahl Landwirte 
davon bankerott werden würden. 
Aber jedenfalls kann man es bei einem Landwirt und bei 
jedem, der sich hauptsächlich für die Landwirtschaft interessiert, 
einigermaßen erklärlich finden, daß er gegen die Erbanfallsteuer 
ist. Aber die Zentrumspartei hat nicht nur Landwirte, sondern 
Leute aus allen möglichen Berufsständen; und daß die alle gegen 
eine solche Steuer sind, das ist nun eine sehr sonderbare Sache. 
Und daß grade vom Zentrum die Einzelstaaten gezwungen 
werden sollten, andere Steuern einzuführen als sie selber wollten, 
das war noch sonderbarer. Aber jedenfalls hatte das Zentrum 
das erreicht: nun hatte es wieder am meisten zu sagen im 
Reichstag. 
Sobald der Reichskanzler Fürst Bülow hörte, daß der Reichs¬ 
tag gegen die Erbanfallsteuer gestimmt hatte, da hat er sofort 
den Kaiser gebeten, er möchte ihn entlassen. Wenn nun ein 
Reichskanzler entlassen werden will oder entlassen werden soll, 
dann nennt man das eine Reichskanzlerkrisis. Bei an¬ 
dern Ministern spricht man von einer Ministerkrisis. Der Reichs¬ 
kanzler ist sogar nach Kiel gefahren und hat zwei Stunden mit 
dem Kaiser gesprochen, denn der Kaiser war grade in Kiel, wo die 
großen Bootswettfahrten sind; der Kaiser wollte aber den Reichs¬ 
kanzler Fürsten Bülow vorläufig nicht entlassen, sondern Fürst 
Bülow sollte erst versuchen, ob er nicht irgendwie eine Reichs¬ 
finanzreform zustande bringen könnte. 
Als nun die Reichsfinanzreform wirklich fertig war, da wollte 
Fürst Bülow doch nicht mehr Reichskanzler bleiben. 
Für die Verbündeten Regierungen traten nur die Reichs¬ 
partei, die Nationalliberalen, die andern Liberalen und die 
Sozialdemokraten ein. Und die Sozialdemokraten stimmten schlie߬ 
lich doch gegen die ganze Reichsfinanzreform. Also blieb schlie߬ 
lich doch nichts anderes übrig, als daß wir uns die Reichsfinanz¬ 
reform wieder vom Zentrum diktieren ließen. 
Für unser Ansehen im Ausland wäre es aber wohl besser 
gewesen, wenn wir uns etwas rascher darin geeinigt hätten, wie 
wir unsere 600 Millionen Steuern aufbringen wollen. Wir aber 
müssen ganz entschieden noch mehr lernen einig zu sein. 
Daran kann jeder Deutsche an seinem Teile mitarbeiten! 
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