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Staat und Staatsfonnen.
Halt geboten. Was gestern festzustehen schien, stürzt die bewegliche Volksstimmung
schon heute wieder um. Daher der Mangel an Stetigkeit in der Politik eines
demokratischen Gemeinwesens, zumal wenn wie in Nordamerika die Volksleiden¬
schaft periodisch durch die Präsidentenwahl entfesselt wird. Das schlimmste end¬
lich ist der Einfluß des Geldes. Nach dieser Seite hin zeigt auch das heutige
Amerika schwarze Schatten.
Gerade hier liegt der Vorzug der Monarchie. Der König bezeichnet den
festen Punkt, welcher von keiner Kritik, keiner ehrgeizigen Gunstbewerbung, keinem
Umschlagen der öffentlichen Meinung erschüttert werden kann. König kann nur
werden und muß sein, wen die staatsrechtlich festgelegte Erbfolge dazu bestimmt.
Wie über das Parteigetriebe, so ist er gleichermaßen über den Widerstreit der
Klassengegensätze hinausgehoben und so befähigt, unparteiisch das Wohl aller zu
fördern. Zu diesen Vorzügen, welche vernünftige Erwägung herausstellt, kommen
in einer erblichen Monarchie andere bedeutsame Momente hinzu. Hier sind die
Bürger durch geschichtliche Erinnerungen und vielfache persönliche Beziehungen
enge mit der Dynastie verwachsen, der jeweilige Träger der Krone gewinnt daraus
eine Verstärkung seines Ansehens und die monarchische Institution einen eigen¬
artigen Wert für Phantasie und Gemüt, wie ihn eine demokratische Verfassung
niemals ausweisen wird. Allerdings aber vertragen die modernen Kulturvölker
kein absolutes Königtum. Die Monarchie ist heute nur mehr als konstitutionelle
Monarchie möglich, aber nicht so, daß dem König in der Volksvertretung ein
zweiter Träger der höchsten Gewalt oder gar eine feindliche Macht gegenübersteht,
sondern so, daß er in seiner Betätigung ganz oder zum Teile an die Mitwirkung
derselben als eines integrierenden Bestandteils des entwickelten Staatsorganismus
gebunden ist. Ans Einzelheiten kann wiederum nicht eingegangen werden, ins¬
besondere muß der Unterschied zwischen dem konstitutionellen System, wie es unter
strengerer Festhaltnng des monarchischen Gedankens in Deutschland, und dem
parlamentarischen, welches in anderen Ländern zu Recht besteht, auf sich beruhen
bleiben.
Aus: G. Frhr. von Hertling, Recht, Staat und Gesellschaft. Sammlung Kösel.
Kempten u. München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung.