90 Dis Verfassung -es Reiches usw. 
lismus oder Konservativismus, die parteibildend wirkten. Allmählich 
haben dann auch berufliche Interessen, Standesangelcgenheiten oder 
religiöse Anschauungen parteibildende Kraft bewiesen, indem Groß- 
grundbefltzer, mittlere bäuerliche Besitzer, Kaufleute, Handwerker, die 
Industrie wie die Finanzwelt versuchten, ihre besonderen Zwecke durch 
Parteigründungen zu verwirklichen. Auch Verschiedenheiten der Natio¬ 
nalitäten können zu Parteigruppierungen führen. 
In Deutschland kennt das 18. Jahrhundert ein Parteiwesen fast 
noch nicht. Das ist begründet in dem Mangel eines regen öffentlichen 
Lebens. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand unter 
dem Einfluß der französischen Revolution wie im ganzen westlichen 
Europa und in Amerika so auch in Deutschland der Gegensatz von 
Liberalismus und Konservativismus. Einzelne Schattierungen waren 
dabei von Anfang an vorhanden, je nach der Intensität der Wünsche 
und Forderungen (Parteistellung im FrankfurterParlament). Bald aber 
verbinden sich bestimmte wirtschaftliche und soziale Momente mit der 
politischen Weltanschauung. Seitdem die Arbeiterklasse in bewußten 
Gegensatz zum Bürgertum tritt (um 1860), und dieVedeutung der sozia¬ 
len Frage wächst, entstehen neue Parteischichtungen, die die älteren li¬ 
beralen und konservativen Gruppen zersetzen. Immer größer wird die 
Zerklüftung des Parteiwesens, je mehr wirtschaftliche Interessen in 
den Vordergrund rücken. Darüber geht die einheitliche Weltanschauung 
fast verloren; das Parteileben Deutschlands rückt gegen Ende des 
19. Jahrhunderts immer weiter von dem Ideal des Zweiparteien¬ 
systems (England) ab. (Siehe die Tabellen S. 92 und 93.) 
Die Partei der Konservativen entwickelte sich in den Ber¬ 
fassungskämpfen Preußens im Jahre 1848. Im schärfsten Gegensatz 
zu den Liberalen, die wie im Frankfurter Parlament auch in der 
Preußischen Nationalversammlung die Mehrheit bildeten, schlossen 
sich alle diejenigen Elemente Preußens zusammen, die im Staat den 
monarchischen Gedanken, in der Kirche den christlich-evangelischen 
Standpunkt gewahrt wissen wollten („Autorität, nicht Majorität") 
und einen organischen Aufbau des Staates an Stelle einer demo¬ 
kratischen Entwicklung wünschten. Ihre Gründer waren besonders
	        
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