Full text: Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre

Fünftes Kapitel. 
Heer und Flotte 
§ 20. Das Heer. 
Heer und Flotte umfassen die Macht, die ein Staat zu seiner 
Verteidigung oder zu Angriffszwecken entfalten kann. Die prak¬ 
tische Anwendung dieser Macht geschieht nur im Kriegsfall, dem 
Ausnahmezustand, in dem die Tötung von Menschen nicht nur 
erlaubt, sondern geboten ist in der gewaltsamen Austragung eines 
Streits zwischen Völkern oder Staaten. — Solange nicht ein 
oberster Gerichtshof besteht, der seinem Urteilsspruch dem Eigen¬ 
nutz der streitenden Mächte gegenüber Geltung verschaffen könnte, 
ist ein dauernder Frieden unter den Völkern kaum denkbar. Selbst 
ein solches Friedensgericht würde seine Entscheidungen schwer 
durchführen können, wenn ihm nicht eine Kriegsmachl zur Ver¬ 
fügung stände. — Immerhin sind die Härten der Kriegsführung 
durch allgemein anerkannte, völkerrechtliche Verträge gemildert 
worden. 
Geschichtliches: Kriege hat es zu allen Zeiten gegeben. 
Förmliche Kriegsheere und Flotten sind dagegen erst späteren 
Ursprungs. Sie entwickeln sich mit dem festen Ausbau eines 
Staatswesens. Bei den alten Germanen hatte jeder Freie Waffen¬ 
recht und Waffenpflicht. In feierlicher Versammlung erhielt der 
Jüngling mit Vollendung des 21. Lebensjahres die Waffen, die 
er nie wieder ablegte. — Mit dem Erstarken des Staates trat 
das Bedürfnis eines „stehenden Heeres" auf — aus dem Volks¬ 
heer entwickelt sich daher das (Söldnerheer; das „Kriegshand¬ 
werk" entsteht. Das geworbene Heer bedeutete zunächst kriegs¬ 
technisch einen Fortschritt. Doch hat es den Nachteil, daß der 
Heerführer beim Anwerben der „Soldaten" nicht allzu wählerisch 
sein konnte. Die Truppen waren mit schlechten Elementen stark 
durchsetzt; so kam es, daß der ruhige Bürger die Söldlinge 
fürchtete und verachtete. Erst die große französische Revolution 
schuf in diesen Verhältnissen Wandel. Sie organisierte die ge¬ 
samten Kräfte des Volkes zu einem Volksheer. Die großen Er¬ 
folge, die Napoleon mit diesem Volksheer errang, veranlaßten 
die anderen europäischen Mächte, die „allgemeine Wehrpflicht" 
einzuführen. Vor allem Preußen bildete nach der Niederlage 
von 1806 unter Scharnhorsts Leitung dieses System zu großer
	        
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