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Auch die Reichsverfassung verlangt, daß der Reichshaushaltsetat
durch ein Gesetz festgestellt, d. h. also vom Bundesrat und Reichstage
übereinstimmend beschlossen und vom Kaiser verkündet werden soll.
Gelingt es nicht, den Etat rechtzeitig festzustellen, so wird in der
Rege! der bisherige Etat auf einen kürzeren Zeitraum als die Etat¬
periode weiter bewilligt. So ist es wiederholt auf ein Jahr im Reiche
geschehen. Kommt eine Einigung zwischen der Volksvertretung und
der Regierung wegen des Etats überhaupt nicht zustande, so tritt
ein etatloser Zustand ein. Die meisten Verfassungen der einzelnen
Bundesstaaten (nicht das Reich) haben auch für diesen Fall Vor¬
sorge getroffen. Die bestehenden Staatseinkünfte werden auch in
dieser Zeit weiter vereinnahmt. Ebenso dürfen die Ausgaben, zu
denen der Staat durch besondere Gesetze und Verträge verpflichtet ist,
z. B. die Beamtengehälter, nicht unterbleiben.
(Teilweise gekürzt aus dem Deutschen Jüngling.)
Militär- und Marinewesen.
I. Wehrpflicht.
Nach der Reichsverfassung ist jeder wehrfähige Deutsche vom
17. bis 45. Lebensjahre wehrpflichtig. Die Militär- oder Dienst¬
pflicht beginnt mit dem 20. Lebensjahre. Unser Heer besteht also
aus Volkskiudern, da jeder Deutsche wehrpflichtig ist. Nicht alle
Staaten haben die allgemeine Wehrpflicht, England hat z. B. ein
Söldnerheer. Daß ein Heer aus Laudeskindern ein besseres ist als
ein Söldnerheer, steht fest.
Im Januar (15. Januar bis 1. Februar) des Jahres, in welchem
die Wehrpflichtigen das 20. Lebensjahr zurücklegen, müssen sie sich
bei der Ortsbehörde desjenigen Ortes zur Ausnahme in die Rekruten-
stammrolle melden, in dem sie ihren dauernden Wohnsitz haben
(Geburtsurkunde). Daraus werden sie später aufgefordert, sich zu
einem bestimmten Termine zur Musterung vor der Ersatzkommission
zu stellen. Diese besteht aus einem Zivilvorsitzenden (Laudrat, in
großen Städten Polizei-Präsident), aus dem Bezirkskommandeur,
einem weiteren Offizier und einem Militärarzt. Daneben gibt es
noch bürgerliche Beisitzer aus dem Musterungsbezirke. Die Ersatz¬
kommission entscheidet, ob die Leute tauglich, dauernd untauglich oder
zur Zeit untauglich sind, oder ob jemand auf ein Befreiungsgesuch
zurückgestellt wird. Die Tauglichen und die zur Zeit Untauglichen
erhalten Losungsscheine. Erstere und auch die Untauglichen müssen
sich im selben Jahre vor der Oberersatzkommission stellen, letztere
kommen im nächsten Jahre wieder zur Musterung. Für die Taug¬
lichen wird hier die endgültige Entscheidung darüber getroffen, zu
welcher Truppe (Regiment) sie kommen; sie erhallen einen Urlaubs¬
paß und treten damit als Rekruten zu den Mannschaften des
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