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Ausbreitung der Romantik.
b) Zur Lrbrnsgeschichte.
I. Aus den Tagebüchern (Cotta).
5. März 1828.
Gestern vormittags ließ mich der Polizeiminister zu sich entbieten.
5 Um zwei Uhr ging ich hin. Ich hatte früher schon vernommen, daß der
Kaiser sich höchst günstig über Den treuen Diener seines Herrn ausge¬
sprochen; ich machte mich daher auf eine Belobung gefaßt. Doch war ich
schon zu oft in der Höhle gewesen, zu der viele Fußstapfen hinführen,
wenige aber zurück, als daß sich nicht unheimliche Besorgnis in meine
io Stimmung gemischt hätte. Ich trat ein. — Seine Majestät, hieß es,
hätten mein Stück mit großem Wohlgefallen gesehen und befohlen, mir
Deren volle Zufriedenheit anzukündigen. Nur hegten Sie in Bezug auf
dasselbe noch einen Wunsch. — Welchen? — Das Stück ausschließlich zu
besitzen. — Ich war wie vom Donner gerührt. — Ich möchte angeben,
i5 welche Vorteile ich mir von der Aufführung außer Wien, von dem Honorar
für den Druck erwartete; Seine'Majestät seien bereit, mir jeden Schaden zu
vergüten. Sodann aber würde die Handschrift in Dero Privatbibliothek
aufgestellt werden, keine Kopien genommen, nirgends außer Wien aufge¬
führt, niemanden mitgeteilt, der Druck bis auf weiteres untersagt. In
20 Wien selbst werde es in längern und längern Zwischenräumen wieder
gegeben werden, dann aber allmählich verschwinden. Nicht Zensurrück¬
sichten verlangten dies, denn da brauchte man ja nur geradezu zu ver¬
bieten, sondern — es sei der Wunsch Seiner Majestät, alleiniger Besitzer
dieses Ihm wohlgefallenden Stückes zu sein. — Meine erste Einwendung
25 brachte die Antwort, daß es sich hier nicht um das Ob handle, sondern nur
um das Wie. Ich möchte meine Bedingungen nicht ängstlich ansetzen,
Seine Majestät seien zu Opfern bereit. Sie hätten sich mit väterlicher
Güte über mich und mein Stück geäußert, das Ihnen sehr gefallen; aber
Ihr Wunsch bleibe derselbe. Man gab mir einen Tag Bedenkzeit, und ich
so ging. Das ist die mildeste Tyrannei, von der ich noch gehört.
Was sollte ich tun? Die Erfüllung verweigern? In ihren Händen
waren alle Mittel, sie zu erzwingen. Ich schrieb daher einen ostensiblen
Brief an den Polizeiminister, in dem ich alles anführte, was Menschlichkeit
und Billigkeit gegen einen solchen Wunsch einwenden können. Ich setzte,
35 nachdem ich beteuert hatte, die freie Schaltung über mein Werk jedem
erdenklichen Gewinne tausendmal vorzuziehen — die Entschädigung so
hoch an, daß Ne bekannte Sparsamkeit des Kaisers davor zurückschrecken
konnte. — Sie wollten mich doch nicht plündern, hoffte ich! — Ich erklärte,
daß, wenn der Kaiser auf seinem Verlangen bestünde, nur der Gedanke,
40 daß nach dem Vorübergehen gebietender, mir verborgener Umstände die
Bekanntmachung meines Werkes ohne weitere Umstände werde erfolgen
können, mich zu einer notgedrungenen Einwilligung bewegen könnte. Und
so gab ich das Blatt heute dem Minister in die Hände. Er schien zufrieden
und fand die angesetzte Entschädigungssumme mäßig. Begreife das, wer
45 kann! Ich muß nun abwarten, was erfolgt. Ende die Sache aber auch