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Paul Gerhardt. (1607—1676.)
9. Er wird zwar eine Weile
Mit seinem Trost verziehn
Und thun an seinem Teile,
Als hätt' in seinem Sinn
Er deiner sich begeben;
Und sollt'st du für und für
In Angst und Nöten schweben,
So frag' erZ nichts nach dir.
10. Wird's aber sich befinden,
Daß du ihm treu verbleibst,
So wird er dich entbinden,
Da du's ani wengsten glaubst,
Er wird dein Herze lösen
Bon der so schweren Last,
Die du zu keinem Bösen
Bisher getragen hast.
11. Wohl dir, du Kind der Treue!
Tu hast und trägst davon
Mit Ruhm und Dankgeschreie
Den Sieg und Ehrenkron'.
Gott giebt dir selbst die Palmen
In deine rechte Hand,
Und du singst Freudenpsalmen
Dem, der dein Leid gewandt.
12. Mach' End', o Herr, mach' Ende
An aller unsrer Not!
Stärk' unsre Füß' und Hände,
Und laß bis in den Tod
Uns allzeit deiner Pflege
Und Treu' empfohlen sein,
So gehen unsre Wege
Gewiß zum Himmel ein. ,
8. Johann Christian Günther,
geboren den 8. April 1695 zu Striegau in Niederschlesien, studiert 1716 in Leipzig, schweift in Schlesien und Polen umher,
studiert 1722 abermals, und zwar Arzneiwifsenschaft zu Jena, stirbt dort im Elende den 15. März 1753.
Werken Lyrische Gedichte geistlichen und weltlichen Inhalts. (Breslau, 1723.)
Die seufzende Geduld.
1. „Morgen wird es besser werden!"
Also seufzt mein schwacher Geist,
Den die Menge der Beschwerden
Über allen Abgrund reißt.
2. Aber ach, wenn bricht der Morgen
Und das Licht der Hoffnung an.
Da ich die so langen Sorgen
Nach und nach vergessen kann?
3. Sklaven auf den Ruderbänken
Wechseln doch mit Müh' und Ruh';
Zuversicht
1. Laßt mich doch nur in der Still'
Ohne Licht und Zeugen weinen.
Weil der Himmel gar nicht will.
Daß mir bessre Tage scheinen:
Die Bekümmernis der Brust
Wird durch Mitleid nicht zur Lust.
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2. Meines Lebens schwerer Lauf
Ist fürwahr so kurz, als böse:
Seh' ich gleich mit Sehnsucht auf.
Ob und wer mich bald erlöse.
Seh' ich gleichwohl allemal
Für den Stern den Donnerstrahl.
3. Nicht verzweifeln ist ein Werk
Derer, die noch mäßig tragen.
Hier ein Abgrund, dort ein Berg,
Abends Jammer, morgens Klagen,
Also wechselt bis ins Grab
Elend stets mit Elend ab.
Dies mein unaufhörlich Kränken
Läßt mir keinen Schlummer zu.
4. Niemand klagt mein schweres Leiden,
Dies vergrößert Last und Pein.
Himmel, laß mich doch verscheiden,
Oder gieb mir Sonnenschein!
5. Will ich mich doch gerne fassen.
Wenn mich nur der Trost erquickt,
Daß dein ewiges Verlassen
Mich nicht in die Grube schickt.
im Elend.
4. Seufzer sind mein Zeitvertreib,
Brod und Trunk mischt Asch'und Thränen;
Kreuz und Schwachheit biegt den Leib,
Und die Seele lechzt mit Sehnen,
Wie ein matt und durstig Reh,
Nach der Hüls' aus Salems Höh'.
5. Freunde weichen wie das Laub,
Welches Wind und Herbst verjagen;
Feinde treten mich in Staub,
Neider spotten meiner Klagen,
Alles lacht und flieht vor mir,
Nur die Unruh' bleibet mir.
6. Ach, wie schrei' ich, ach wie viel
Werden mir der langen Nächte!
Sieht die Hoffnung gar kein Ziel,
Daß sie sich erholen möchte?
Soll, o Gott, denn meine Pein,
Wie dein Eifer, ewig sein?
1) Andere, dem Zusammenhang nicht so entsprechende Lesart: Fragt er doch.