Full text: Lesebuch für höhere Bildungsanstalten (4)

Max sah vom Fenster düster ins tolle Gewühl hinein; 
Da trat in schlichtem Wammse ein Mann gar schüchtern ein; 
„Gott grüß dich, Meister Dürer," rief Max so freudig schnell, 
„Wie kommt die Kunst zum Reichstag, nach Babel mein Apell?" 
„„Nur eine Gnade wollt' ich, o Herr, von Euch erflehn,"" 
Erwidert drauf der Meister, „„laßt freundlich es geschehn! 
Ach, gerne malt' ich einmal noch Euer Konterfei, 
Hell strahlend wie sein Urbild, doch auch so wahr und treu."" 
Da faßte sanft der Kaiser des Künstlers Hand gerührt: 
„Bei mir ist's Abendroth schon, drum eh' es Nacht ganz wird, 
Willst du die Landschaft zeichnen, vom Spätlicht karg verklärt! 
Gelt, Freund, so ist's gemeinet? Wohlan, gern sei's gewährt!" 
Der Maler nimmt den Pinsel, Leinwand und Farbenschrein: 
„„Noch bitt' ich Eins, mein Kaiser, seht nicht so finster drein!"" 
Starr auf die graue Leinwand ist Maxens Blick gebannt: 
„Ich denk' an Staub und Asche, auch grau wie diese Wand " 
Der Maler zeichnet weiter, Mund, Wange, Nas' und Blick, 
Der Kaiser sinkt vor Lachen jetzt in den Stuhl zurück: 
„Ho, ho, da droht sie wieder, als ob sie der Spiegel wies', 
Die ungeheure Nase, die sich so oft schon stieß!" 
Und Färb' auf Färb' entlodert, wie Frühlingsblüthenglauz, 
Und Leben, Frühlingsleben durchschwillt den Farbenglanz, 
Aufblüht die Färb', umtosend als lächelnd hier den Mund, 
Als Ernst gar finster thronend dort auf dem Stirnenrund. — 
„Seht da den ganzen Menschen, dies alte treue Haus! 
Schmerz sieht zu einem Fenster wehmüth'gen Blicks heraus, 
Die Freude steht am andern und nickt und lächelt mild, 
Nur hängt an diesem Hause die Krön' als Aushängschild! 
Leb' wohl nnn, Bruder Albrecht! Ja, Bruder nenn' ich dick, 
Ein König heiß' ich, König bist du so gut' als ich; 
Ein Stückchen Gold mein Scepter, mein Reich ein Stück grün Land, 
Dein Scepter Stift und Kohle, dein Reich die Leinewand. 
Die Heere bunter Farben sind Unterthanen dir, 
Wohl treuer dir ergeben, traun, als die meinen mir! 
Und Leben ist das Endziel, dem unsre Kraft geweiht, 
Und beider Müh' und Arbeit gilt der Unsterblichkeit! 
Und doch ist's einst gelungen, und glauben wir's vollbracht, 
Wornach wir treu gerungen TagS über und bei Nacht, 
Kommt, unser Werk besehend, manch nüchterner Gesell, 
Und meint, das Bild sei leidlich, der Thron steh' schief zur Stell'. 
Behüt' dich Gott, mein Albrecht! Kehrst du nach Nürnberg heim, 
So grüß mir den Hans Sachse, den Mann mit Sang und Reim 
Macht er ein Liedlein wieder, so sei's ein Leichenlied, 
Bald hört ihr, daß ein König, der lieb euch war, verschied."
	        
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