Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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Da lag ich betend, mit gebrochnen Knieen, 
Und — horch, die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch — 
Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch, 
Mich leise in der Erde Poren ziehen. 
8. Ich fuhr empor und schüttelte mich dann, 
Wie einer, der dem Scheintod erst entrann, 
Und taumelte entlang die dunklen Hage, 
Noch immer zweifelnd, ob der Stern am Rain 
Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein, 
Oder das ew'ge Licht am 
5. Abschied v 
1. Wie der zitternde Verbannte 
Steht an seiner Heimat Grenzen, 
Rückwärts er das Antlitz wendet. 
Rückwärts seine Augen glänzen, 
Winde, die hinüber streichen, 
Vögel in der Luft beneidet, 
Schaudernd von der kleinen Scholle, 
Die das Land vom Lande scheidet; 
2. Wie die Gräber seiner Toten, 
Seine Lebenden, die Süßen, 
Alle stehn am Horizonte, 
Und er muß sie weinend grüßen; 
Alle kleinen Liebesschätze, 
Unerkannt und unempfunden, 
Alle ihn wie Sünden brennen 
Und wie ewig offne Wunden: 
3. So an seiner Jugend Scheide 
Steht ein Herz voll stolzer Träume, 
Blickt in ihre Paradiese. 
Und der Zukunft öde Räume, 
Sarkophage. 
n der Jugend. 
Seine Neigungen, verkümmert, 
Seine Hoffnungen, begraben, 
Alle stehn am Horizonte, 
Wollen ihre Thränen haben. 
4. Und die Jahre, die sich langsam. 
Tückisch reihten aus Minuten, 
Alle brechen aus im Herzen, 
Alle nun wie Wunden bluten; 
Mit der armen kargen Habe, 
Aus so reichem Schacht erbeutet, 
Mutlos, ein gebrochuer Wandrer, 
In das fremde Land er schreitet. 
5. Und doch ist des Sommers Garbe 
Nicht geringer als die Blüten, 
Und nur in der feuchten Scholle 
Kann der frische Keim sich hüten. 
Über Fels und öde Flächen 
Muß der Strom, daß er sich breite. 
Und es segnet Gottes Rechte 
Übermorgen so wie heute.
	        
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