Full text: Für Ober-Sekunda und Prima (Prosah. 7)

G. Schmoller, Entstehung und Entwickelung des Handels. 
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nach dem Königreich Sachsen 326 200, nach der Rheinprovinz 343 000, 
nach Westfalen 246 100. In der Hauptsache hat sich diese Wander¬ 
bewegung, durch welche die Jndustriebezirke und Hafenstädte einen großen 
Teil der Bevölkerungszunahme des platten Landes und namentlich des 
Ostens an sich zogen, erst seit dem Ende der siebziger Jahre abgespielt, 
und sie war eine wichtige Voraussetzung für die rasche Entfaltung der 
deutschen Industrie in diesem Zeitraum. 
51. Entstehung und Entwickelung des Kandels. 
Gustav Schmoller, Grundriß der allgemeiueu Volkswirtschaftslehre I. 7- bis 
10. Tausend. (Leipzig, Duncker & Humblot, 1908.) 
Ein gewisser Handel und Tauschverkehr hat sich sehr frühe ent¬ 
wickelt. Wir kennen kaum Stämme und Völker, die nicht irgendwie 
durch ihn berührt würden. Die verschiedene technische und kulturelle 
Entwickelung schuf in der allerfrühesten Zeit bei einzelnen Stämmen 
bessere Waren- und Werkzeuge. Die Natur gab verschiedene Produkte, 
welche bei den Nachbarn bekannt und begehrt wurden. Und überall hat 
sich die Tatsache wiederholt, daß der Wunsch nach solchen Waren und 
Produkten Jahrhunderte, oft Jahrtausende früher lebendig wurde als 
die Kunst sie herzustellen. Für viele war dies ja an sich durch die 
Natur ausgeschlossen. 
Der erste Handel und Tauschverkehr war nun aber lange ein 
solcher ohne Händler. Schon in der Epoche der durchbohrten Steine 
gelangen Werkzeuge und Schmucksachen von Stamm zu Stamm auf 
Tausende von Meilen. Ein sprachloser, stummer Handel besteht noch 
heute am Niger: auf den Stammgrenzen kommt man zusammen, legt 
einzelnes zum Austausch hin, zieht sich zurück, um die Fremden eine 
Gegengabe hinlegen zu lassen, und holt dann letztere. Innerhalb des¬ 
selben Stammes hindert lange die Gleichheit der persönlichen Eigen¬ 
schaften und des Besitzes jedes Bedürfnis des Tausches. Auch auf 
viel höherer/Kulturstufe finden wir noch einen Handel ohne Händler, 
wie z. B. zwischen dem Bauern des platten Landes und dem Handwerker 
der mittelalterlichen Stadt lange ein solcher Austausch der Erzeugnisse 
stattfindet, ein Handel zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten. 
Zwischen verschiedenen Stämmen geben die Häuptlinge und Fürsten am 
ehesten die Möglichkeit und den Anlaß zum Tausch; daher sind lange diese 
Spitzen der Gesellschaft die wesentlich Handeltreibenden. In Mikronesien 
ist heute noch dem Adel Schiffahrt und Handel allein vorbehalten; die 
kleinen Negerkönige Afrikas suchen noch möglichst den Handel für sich 
zu monopolisieren. Ähnliches wird von den älteren russischen Teil¬ 
fürsten berichtet. Die Haupthündler in Tyrus, Sidon und Israel waren 
die Häuptlinge und Könige.
	        
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