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herrscht! Ohne es deutlich sehen zu können, glaubte er das stechende Auge
des rothen Mannes zu suhlen; er wandte sich ängstlich nach Ludwig um.
Aber dieser war nicht allein schon erwacht, Ws schien sogar, er war früher
aufgefordert worden, als er selbst; denn er stand bereits ebenso willfährig,
als Reginald.
„Gesellschaft sollt Ihr finden," fuhr der rothe Mann fort — „und für
zwei Grafen von Crecy, an deren Leben die Erhaltung des Hauses Crecy-
Chabanne hängt, soll es passende, unterhaltende Gesellschaft sein! Ihr fürchtet
Euch doch nicht?" setzte er höhnisch hinzu.
Dies schreckte Reginald empor. Jetzt erst fühlte er den erstarrten Zorn
sich in seiner Brust beleben. „Wer seid Ihr?" rief er. „Welch ein Recht
habt Ihr, in unserm Schlosse eine Einladung an uns zu richten, als wäret
Ihr der Herr desselben?"
Eine Art Schnauben, wie es der Zorn zuweilen bei sehr wilden Men¬
schen hören läßt, ging voran, dann folgte ein höhnendes Lachen. „Kind,
halte ein mit deiner Wichtigkeit," rief dann der rothe Mann — „und hüte
dich, mich zu reizen, daß du nicht gleich erfährst, welche Macht ich hier habe
— eine solche, die in ihrem Alter und in ihrer Rechtmäßigkeit die deinige
überbieten könnte!"
Und Reginald — der kühne, hochherzige Jüngling — schwieg. Ihm
war so fremd und erdrückt zu Muth; als er sprach, fühlte er keine Kraft,
seinen Worten Ton und Stärke zu geben; sein Athem war so kurz, sein Kops
schien ihm nicht frei — nur die Nähe Ludwig's beruhigte ihn. An seiner
Seite folgte er dem voranschreitenden rothen Manne, willenlos — wie durch
Zauber ihm nachgezogen, und an Ludwig dieselbe Gewalt wahrnehmend.
Als sie die Schwelle der jetzt geöffneten, früher so fest verschlossenen
Thüre überschritten, blieb der rothe Mann stehen, und indem er zurückschaute,
sagte er: „Ihr hattet, denke ich, große Lust, diese Räume zu betreten! Als
ich Euch an den Schlössern hämmern hörte, konnte ich denken, wer es war.
Ihr hattet Recht, hier Einlaß zu wünschen — nur kam es mir zu. Euch
hier willkommen zu heißen; denn es ist so recht eigentlich mein Bezirk —
auch wartete ich schon längst auf Euch, Ihr Grafen von Crecy-Chabanne!"
Ein kurzes feindliches Lachen folgte, und die erschütterten Jünglinge eilten
ihm nach, der mit geräuschlosen Schritten über das dunkle Getäfel vor¬
anglitt.
Sie fanden erleuchtete Räume, ohne den Moder der Zerstörung, doch in
dem Geschmack des Jahrhunderts eingerichtet, dem der Mann im rothen
Mantel anzugehören schien. Sie kamen erst durch einige kleine Wohnzimmer,
durch ein Schlafzimmer mit einem großen Bette, gegen dessen verschlossene,
schwersammetne Vorhänge ihr Führer wild drohend die Hand erhob — und
wie glich er jetzt Souvrö!*) dann öffneten sich weite Säle, und die Jüng-
*) Marquis v. Souvrs, ein alter Böscwicht und Höfling, war von der alten
Marschallin v. Crecy gebraucht worden, die Ehre ihres Sohnes mit Fcnnimor zu
stören, und hatte durch die Kränkungen, welche er dieser zugefügt, besonders ihren
frühen Tod beschleunigt.