Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

24 
Alte Zeit. 
Von des Hofes Ehren und ihrer großen Kraft, 
Von ihrer hohen Würdigkeit und ihrer Ritterschaft, 
Deren die Herren pflegten mit Freuden all ihr Leben, 
Davon kann euch wahrlich niemand genugsam Kunde geben. 
In diesen hohen Ehren träumte Kriemhild, 
Wie sie zog einen Falken, stark, schön und wild, 
Den ihre zween Aare würgten. Daß sie das mußte sehn: 
Ihr konnte aus der Erde kein größeres Leid geschehn. 
Den Traum nun erzählte sie ihrer Mutter Uten, 
Tie wußte nicht anders zu deuten ihn der Guten: 
„Der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann: 
„Den mußt du bald verlieren, Gott nehme sein sich an! 
„„Was sprecht ihr mir vom Manne, liebe Mutter mein! 
„„Ich will von keinem Recken jemals geminnet sein. 
„„So rein will ich bleiben bis an meinen Tod. 
„„Dann komme ich nimmer durch einen Mann in Not."" 
Da sagte ihre Mutter: „Verrede es, Kind, nicht so! 
„Denn wirst du je auf Erden recht von Herzen froh: 
„>Lo geschieht es durch Mannesminne. Du wirst ein selig Weib, 
„Bescheert Gott dir einstens eines guten Ritters Leib." 
„„Die Rede lasset bleiben,"" sprach sie: „„Herrin mein! 
„„Es ist an manchem Weibe ein offenbarer Schein, 
„„Wie Liebes mit Leidem am Ende lohnen kann. 
„„Ich will sie beide meiden, kein Mißgeschick erreicht mich dann."" 
Kriemhild hat vor der Minne ihr Herze wohl bewacht: 
So hat die Maid die gute, manch lieben Tag verbracht, 
Daß keiner ist gewesen, dem sie Minne sann, 
Bis sie ein werter Ritter mit Ehren zum Weibe gewann. 
Der war derselbe Falke, der ihr im Traume kam, 
Den ihr die Mutter deutete. Wie sehr sie Rache nahm 
An ihren nächsten Sippen, die ihn erschlugen dann! — 
Aus dieses Einen Sterben manch Mutterkind den Tod gewann. 
b) Sigfrid. 
(„Von Sivrit, wie der erzogen wart.") 
Da wuchs im Niederlande eines edeln Königs Kind 
(Sigmund hieß sein Vater, seine Mutter Sigelind) 
In einer reichen Veste, weithin wohlbekannt 
Unten an dem Rheine, Santen (kanten) war sie genannt. 
Sigfrid war geheißen der schnelle Degen gut. 
Er besuchte viel der Reiche in hochbeherztem Mut. 
Durch seine Stärke ritt er in manches fremde Land: 
Hei! was der schnelle Degen bei den Burgonden fand! 
Bevor der kühne Degen ganz erwuchs zum Mann, 
Da hat er solche Wunder mit seiner Hand gethan, 
Davon man immer wieder singen mag und sagen: 
Wir müssen viel verschweigen von ihm in heutigen Tagen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.