fullscreen: Auswahl deutscher Gedichte nach den nationalen metrischen Formen derselben

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v. 
Die serbischen Trochäen. 2vs. 
V. Die serbischen Trochäen. 
205. Klaggesang von der edlen Frauen des Asan Aga. 
(Göthc, nach einer französischen Übersetzung des serbischen Gedichts.) 
^As ist weißes dort am grünen Walde? 
ist es Schnee wol oder sind es Schwäne? 
Wär es Schnee, er wäre weggeschmolzen, 
wärens Schwäne, wären weggeflogen. 
5 Ist kein Schnee nicht, es sind keine Schwäne, 
's ist der Glanz der Zelten Asan Aga. 
Niederliegt er drin an seiner Wunde: 
ihn besucht die Mutter und die Schwester, 
schamhaft säumt sein Weib, zu ihm zu kommen. 
10 . Als nun seine Wunde linder wurde, 
ließ er seinem treuen Weibe sagen 
,Harre mein nicht mehr an meinem Hofe, 
nicht am Hofe und nicht bei den Meinen.' 
Als die Frau dieß harte Wort vernommen, 
15 stand die Treue starr und voller Schmerzen, 
hört der Pferde Stampfen vor der Thüre, 
und es deucht sie, Asan käm, ihr Gatte, 
springt zum Turme, sich herab zu stürzen. 
Ängstlich folgen ihr zwei liebe Töchter, 
20 rufen nach ihr, weinend bittre Tränen, 
,Sind nicht unsers Baters Asan Rosse, 
ist dein Bruder Pintorowich kommen!' 
Und es kehret die Gcmalin Asans, 
schlingt die Arme jammernd um den Bruder: 
25 ,Sieh die Schmach, o.Bruder, deiner Schwester! 
mich verstoßen, Mutter dieser fünfe!' 
_ Schweigt der Bruder, ziehet aus der Tasche, 
eingehüllet in hochrothe Seide, 
ausgefertiget den Brief der Scheidung, 
30 daß sie kehre zu der Mutter Wohnung, 
frei sich einem Andern zu ergeben. 
Als die Frau den Trauer-Scheidbrief sahe, 
küsste sie der beiden Knaben Stirne, 
küsst' die Wangen ihrer beiden Mädchen. 
35 Aber ach! vom Säugling in der Wiege 
kann sie sich im bittern Schmerz nicht reißen! 
Reißt sie los der ungestüme Bruder, 
hebt sie aus das muntre Ross behende, 
und so eilt er mit der bangen Frauen 
40 grad nach seines Vaters hoher Wohnung. 
Kurze Zeit wars, noch nicht sieben Tage, 
kurze Zeit g'nug: von viel großen Herren 
unsre Frau in ihrer Witwentrauer, 
unsre Frau zum Weib begehret wurde. 
45 Und der größte war Jmoskis Cadi; 
und die Frau bat weinend ihren Bruder 
,Jch beschwöre dich bei deinem Leben, 
gib mich keinem Andern mehr zur Frauen, 
daß das Wiedersehen meiner lieben 
50 armen Kinder mir das Herz nicht breche!' 
Ihre Reden achtet nicht der Bruder, 
fest, Jmoskis Cadi sie zu trauen. 
Doch die Gute bittet ihn unendlich 
,Schicke wenigstens ein Blatt, o Bruder, 
55 mit den Worten zu Jmoskis Cadi: 
Dich begrüßt die junge Wittib freundlich, 
und läßt durch dieß Blatt dich höchlich bitten, 
daß, wenn dich die Spaten herbegleiten, 
du nrir einen langen Schleier bringest, 
60 daß ich mich vor Asans Haus verhülle, 
meine lieben Waisen nicht erblicke.' 
Kaum ersah der Cadi dieses Schreiben, 
als er seine Suaten alle sammelt, 
und zum Wege nach der Braut sich rüstet, 
65 mit den Schleier, den sie heischte, tragend. 
Glücklich kamen sie zur Fürstin Hause, 
glücklich sie mit ihr vom Hause wieder. 
Aber als sie Asans Wohnung nahten, 
sahn die Kinder oben ab die Mutter, 
70 riefen ,Komm zu deiner Halle wieder! 
iß das Abendbrot mit deinen Kindern!' 
Traurig hört cs die Gemalin Asans, 
kehrete sich zu der Suaten Fürsten: 
,Laß doch, laß die Suaten und die Pferde 
75 halten wenig vor der Lieben Thüre, 
daß ich meine Kleinen noch beschenke.' 
Und sie hielten vor der lieben Thüre, 
und den armen Kindern gab sie Gaben, 
gab den Knaben goldgestickte Stiefel, 
80 gab den Mädchen lange reiche Kleider, 
und dem Säugling, hilflos in der Wiege, 
gab sie für die Zukunft auch ein Röckchcn. 
Das beiseit sah Vater Asan Aga, 
rief gar traurig seinen lieben Kindern 
85 ,Kehrt zu mir, ihr lieben armen Kleinen! 
eurer Mutter Brust ist Eisen worden, 
fest Verschlüßen, kann nicht Mitleid fühlen.' 
Wie das hörte die Gemalin Asans, 
stürzt' sie bleich, den Boden schütternd, nieder, 
90 und die Seel entfloh dem bangen Busen, 
als sie ihre Kinder vor sich fliehn sah.
	        
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