Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

Schnabel!“ sagte der Tagedieb; „ich vergönne keinem Menschen 
den Mund um ein Stückchen Brot, dazu bin ich viel zu stolz!“ 
und ging weiter. 
Endlich kam er auch zum Sperling. Der Sperling weiß in 
jeder Verlegenheit Rat, so auch hier. Er saß auf einem Zweige 
und schrie: „Stiehl! Stiehl! Stiehl!“ 
„Du wärst mir schön!“ antwortete der Tagedieb, „dazu haben 
mir nicht einmal die Elster und der Rabe geraten, die doch wahr¬ 
lich auch nicht dumm sind und sich auf das Handwerk verstehen. 
Aber“ — fuhr er, sich besinnend, fort — „am Ende ist es doch 
noch das Bequemste, und jene beiden haben mir vielleicht aus 
purer Mißgunst nichts davon gesagt. Sperling, du wirst doch 
recht haben!“ 
Somit ging er hin und stahl. Er wurde aber ertappt und in 
ein Arbeitshaus gesteckt. Als er auf einem Acker mit den anderen 
Gefangenen graben mußte, saß der Rabe wieder auf dem Baum 
und rief: „Grab! Grab! Grab!“ Da antwortete der Tagedieb: „Hast 
recht; wär’ ich dir nur früher gefolgt!“ 
73. Die Pfauen und die Krähe. 
Von Gotthold Ephraim Lessing, 
Alte Fabeln zur Lust und Lehr. Ausgewählt von Heinrich Wolgast. 2. Aust. 
München 1906. S. 60. 
Eine stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen 
Federn der farbigen Pfauen und mischte sich kühn, als sie genug 
geschmückt zu sein glaubte, unter diese glänzenden Vögel. Sie 
ward erkannt, und schnell fielen die Pfauen mit scharfen Schnäbeln 
auf sie, ihr den betrügerischen Putz auszureisen. „Lasset nach!11 
schrie sie endlich; „ihr habt nun alle das Eurige wieder.“ Doch 
die Pfauen, welche einige von den eigenen, glänzenden Schwing¬ 
federn der Krähe bemerkt hatten, versetzten: „Schweig, armselige 
Närrin; auch diese können nicht dein sein!“ — und hackten weiter! 
74. Sprüche. 
b 
53lit Gott fang an, mit Gott hör' auf, das ist der schönste Lebenslauf. 
Höchst elend ist, wer Gott vergißt. 
Vertrau' auf Gott, er hilft in Not. 
Wer Gott vertraut, hat wohlgebaut.
	        
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