215. Der Laternenanzünder.
Ilse Frapan.
Die Straße ist schon dämmerig, es wird früh dunkel heute. Der
Tag ist trübe gewesen, der Himmel war grau, die Sonne blieb hinter
den Wolken versteckt. Die Straßenecke, an der unser Kaufmann wohnt,
ist kaum mehr zu sehen, und es sind doch nur fünf oder sechs Häuser
bis dahin.
Oh! Plötzlich flammt da unten ein Licht auf! Noch eins! Wieder
eins! Eine kleine Reihe ist es schon! Sechs helle Gaslaternen brennen.
Und da kommt der Laternenanzünder selbst! Wir wollen ihm guten
Abend sagen. Er ist ein freundlicher Mann, und das Licht, das er
angezündet hat, ist auch freundlich! Die Straße ist auf einmal ganz
anders geworden, ganz gemütlich und sicher. Nun geh' ich gern zum
Kaufmann an der Ecke.
Jetzt will er unsere Laterne anstecken. Er reicht mit dem langen
Stock hinauf. An dem Stock ist ein Haken, mit dem er den Eashahn
ausdreht. Da — hell glüht es auf! Die Laterne brennt. Am Tage
ist der Laternenanzünder auch schon dagewesen. Er hat eine Leiter ge¬
habt. Bedächtig hat er sie angelegt, bedächtig ist er eine Stufe nach
der andern hinaufgestiegen und hat die Laterne geputzt. Dann hat er
das Elastürchen zugeworfen und ist bedächtig wieder heruntergeklettert.
Und heute nacht, um Mitternacht, wenn wir ruhig schlafen, muß
er noch einmal denselben Gang machen und jede zweite Straßenlaterne
ausdrehen. Über Nacht brauchen nicht alle zu brennen. Und morgen
früh wird er kommen und die Flammen auslöschen, der fleißige Laternen¬
mann !
216. Der Menschenauflauf.
Arno Fuchs.
Was sah ich heute morgen, als ich durch die Königstraße ging?
Einen Menschenauflauf. Die elektrischen Bahnen hielten in langer Reihe
hintereinander; Droschken und andere Wagen konnten nicht von der
Stelle, und von allen Richtungen liefen die Menschen zusammen. Was
war geschehen?
Aus dem glatten Asphaltpflaster war ein Droschkenpferd gestürzt.
Nun lag es auf den Straßenbahnschienen und konnte sich nicht erheben,
und Hunderte von Großstädtern hatten auf einmal Zeit, sich das Schau¬