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Auf dem Marktplatz der Stadt fesselt uns ein neues Bild.
Hier ist eben ein Großhändler mit seinem Kaufmannsgut ange¬
langt. Dasselbe ist auf große, mit vielen Pferden bespannte
Frachtwagen geladen und sorglich unter einer Leinwanddecke
geborgen. An der Spitze des Zuges hält hoch zu Boß der Kauf¬
herr selbst, von Kopf bis zu den Füßen in Eisen gehüllt und
gut bewaffnet. Andre Bewaffnete zu Fuß und zu Boß begleiten
jeden Wagen. Die Stadt schickte sie als Geleite dem Warenzug
bis zur Gemarkungsgrenze entgegen, wo sie die vom Landesherrn
gestellte Schutzmannschaft ablösten. Der Kaufmann zahlt gern
den nicht unbedeutenden „Geleitschatz", weil er dafür einiger¬
maßen gegen die „Bitter vom Stegreif" geschützt ist. Am Wall¬
graben hat er den Brücken-, am Tore den Torzoll entrichtet.
Jetzt muß er sämtliche Warenballen auf der Batswage wiegen
lassen und dafür die Wagegebühr, meist auch noch ein „Deichsel¬
geld zur Wegebesserung" bezahlen. Damit aber ist seine Be¬
schwernis in dieser Stadt noch nicht zu Ende. Dieselbe ist im
Besitze des Stapelrechts; deshalb liegt ihm die Pflicht ob, sein
mit vieler Mühe hergeführtes Handelsgut den Bürgern eine be¬
stimmte Zeitlang feilzubieten.
Da der Großhändler auf diese Weise längere Zeit am Orte
festgehalten wird, so sucht er, sobald seine Waren sicher im
Kaufmannshaus untergebracht sind, eine Herberge auf. Schon
auf der andern Seite des Marktplatzes, dessen Mitte seit kurzem
ein schöner Brunnen ziert, ist das Gasthaus. Ein eisernes Aus¬
hängeschild, das Werk eines kunstfertigen Schmiedes, ladet zur
Einkehr ein. Der diensteifrige Wirt steht schon vor der Tür,
um dem neuen Gaste in einem Becher Wein den „.Willkomm"
zu bieten. Zechende Gesellen sitzen vor dem Hause, und auch
die niedrige Wirtsstube ist mit allerlei Volk gefüllt: ehrsame
Handwerksmeister plaudern von den Stadtneuigkeiten, Fuhrleute
berichten über den Strauß, den sie jüngst mit den Baubrittern
gehabt, Händler erzählen wundersame Geschichten aus dem
fernen Welschland, fahrende Studenten, die in der Lateinschule
der Stadt noch studieren wollen, singen lustige Lieder.
Unterdessen dauert das Treiben und Handeln der Menschen
fort, bis die Fahne vom Bathaus abgenommen wird oder ein
Glöcklein den Markt ausläutet. Auf allen Straßen gehFs wieder