348 
4. Der Simplon-Tunnel übertrifft alle frühern Tunnel an Länge, 
und die Kühnheit seiner Ausführung ist bewundernswert. Ungefähr 
20 km lang — also beinahe die Entfernung von Halberstadt bis Oschers- 
leben — brauchte man über 8 Jahre bis zu seiner Fertigstellung. Wäh¬ 
rend die bisherigen Tunnel nur aus einem Stollen bestehen, in dem 
zwei Geleise liegen, hat der Simplon-Tunnel zwei Stollen mit je einem 
Geleise. Der zweite Stollen, der beim Bau, wie wir gesehen, der 
Luftzufuhr, dann auch dem Arbeiterverkehr und dem Heranschaffen 
der Lasten diente, soll erst später für den Betrieb ausgebaut wer¬ 
den. Einstweilen wird nur ein Stollen benutzt, durch den die Züge mit 
elektrischer Kraft fahren. Von Brig (686 m über dem Meere) steigt 
der Tunnel bis zum Scheitelpunkt, der auf etwa 700 m Höhe, ziemlich 
genau unter der Grenzscheide zwischen der Schweiz und Italien liegt. 
Denkt euch, daß an diesem Punkt die gewaltige Last des über 2000 m 
hohen Gebirges über dem Tunnel lagert. Nach 500 m horizontalen 
Laufs senkt sich die Bahn bis zum Austritt bei Iselle (634 in). Die 
südöstlich laufende Richtung des Tunnels ist im wesentlichen grad¬ 
linig; seine Steigungen sind, wie ihr euch selbst ausrechnen könnt, ver¬ 
hältnismäßig gering. Daher man auch mit großer Geschwindigkeit 
hindurchfahren kann. Ich möchte euch wohl wünschen, ihr säßet in 
einem solchen Zuge: der Berg gähnt euch entgegen, sein schwarzer 
Mund verschlingt euch, durch 20 Kilometer Bergesnacht fliegt der 
hell erleuchtete Zug, und über euch türmt sich immer gewaltiger die 
Masse des Gebirges. Könnte sie auf euch herabstürzen? Doch nein! 
Da ist alles wohl gefügt und berechnet; die Fahrt so sicher wie über 
der Erde. Aber so gruselig interessant sie auch sein mag, man be¬ 
grüßt ihr Ende und freut sich des Augenblicks, da der Berg uns wie¬ 
der in die Freiheit entläßt. 
Ich könnte euch von diesem berühmten Bauwerk noch manches 
erzählen, doch fehlt hier der Raum dazu. Nur eins möchte ich noch 
erwähnen: Es waren neben vielen andern tüchtigen Männern in erster 
Reihe deutsche, deutsch-österreichische und deutsch-schweizerische 
Ingenieure, die das Werk erdachten und leiteten. Deutsches Wissen, 
deutsche Gründlichkeit, deutscher Fleiß wieder einmal an erster 
Stelle in der Welt — nun, wie wär’s? Wollt ihr einmal Ähnliches 
leisten? Oswald Körte. 
172. Bodenbau Frankreichs. 
1. Bedeutsam ist der Acker- und Gemüsebau Frankreichs. Ein 
Drittel des nutzbar gemachten Bodens dient als Getreideland. Am 
reichsten ist der nördliche und mittlere Teil Frankreichs an ausge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.