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starke Männerstimmen, mächtige Kolbenschläge auf die Platten der
Hausflur. „Hurra! Sieg! Heraus, heraus! Die Deutschen sind
da!" Ich nehme mein kleinstes Kind auf den Arm und schreite
rasch die Treppe aufwärts, die Gräfin von Dürckheim unmittelbar
hinter mir, die andern kommen nach. Ich trete vor, leichenblaß,
aber doch getrost, und vor mir steht ein junger deutscher Soldat,
umgeben von andern deutschen Kriegern. Nachdem ich ihm ver¬
sichert, daß wir am Kampfe nicht beteiligt gewesen, macht er das
Tor auf und läßt mich fortgehen mit meiner Familie.
Unter Dank und Freude schreiten wir hinaus ins Freie. O
Luft und Licht und Leben! Aber im Schloßhof, dieses Getöse!
Nichts als Himmel und Soldaten! Man kann sich denken, was
wir für Gesichter machten. Ein ergrauter, stattlicher Krieger (General
Hartmann), der unsere Angst wohl bemerkt hatte, spricht mit lauter
Stimme, aber doch in sanftem Tone: „Gehen Sie nur ruhig nach
Hause! Wir tun Ihnen nichts zuleide. Wir führen nicht Krieg
gegen die Völker, sondern nur gegen den bewaffneten Kaiser."
Wir machten uns unter wehmütigem Herzklopfen von dannen.
Ach, wie ganz anders sieht es jetzt hier oben aus! Wie ist
das freundliche Dörflein eine Stätte des Jammers und der Ver¬
wüstung geworden! Da liegen zwei Häuser in Trümmern, weiter
unten brennt eine ganze Reihe von Scheunen. Alle Dächer sind
zerschlagen, alle Läden und Fenster zerschossen, überall liegen
zertrümmerte Wagen, tote Pferde, blutige Leichen. Man sieht, der
Kampf hat bis ins Dorf herein gewütet. Und droben am Himmel steht
die Sonne so bleich, so grinsend, so schrecklich, wie wir sie noch
nie gesehen. Wenn wir nur durchs Getümmel könnten! Diese
Truppenmassen! Die stürmen vorüber und schreien Hurra! Viktoria!
daß die Erde bebt. — Endlich gelangen wir durch die Reihen und
kommen, an allen Gliedern bebend, ins Pfarrhaus zurück.
4. Der Kronprinz kommt.
Während das siegreiche Heer durch das eroberte Dorf zog,
erscholl plötzlich von Wörth herauf ein unbeschreibliches Getöse.
Es mußte wieder etwas Neues, Außerordentliches im Anzug sein.
Die Soldaten sprangen aus den Häusern und Höfen hinaus, stellten
sich in Reih und Glied und bildeten auf beiden Seiten der Straße
eine undurchdringliche Mauer. Ich stand auf der Haustreppe.
„Was ist denn?" — „Der Kronprinz kommt! — Der Kronprinz
kommt!" — Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht meine
Seele durchzuckte. Ich rief meinen Leuten zu: „Schnell heraus,
der Kronprinz von Preußen kommt!" Das Getöse dringt immer
näher, und das Triumphgeschrei wird immer größer. Jetzt sind
sie im Unterdorf. Horch, wie sie jubeln! — Gebt acht, jetzt biegen
sie um die brennende Kirche. Die Trommeln wirbeln, die Sieges-