III. Aus der Erdkunde.
A. Aus fremden Erdteilen.
137. Der Amazonenstrom.
Otto Ule.
Der gewaltigste Strom unserer Erde ist der Amazonas, der
nächst der Andenkette den Hauptcharakterzug Südamerikas bildet.
Dieses wandernde Süßwassermeer, das seinen Ursprung in geringer
Entfernung vom Stillen Ozean nimmt und sich mit den Fluten des
Atlantischen Ozeans durch einen 40 Meilen breiten, flachen Meer¬
busen vereinigt, scheidet Südamerika wie ein sichtbarer Äquator
auf eine Strecke von etwa 660 Meilen in eine nördliche und südliche
Hälfte. Alles ist riesengroß an diesem Strome, der in seinem
ungeheuren Becken von 124000 Quadratmeilen zwei- bis dreihundert¬
tausendmal so viel Wasser sammelt als mancher stolze deutsche
Fluß. Mit mehreren Namen in den verschiedenen Teilen seines
Laufes bezeichnet, als ob er nicht ein Strom, sondern eine Reihe
von Strömen wäre, bietet er selbst für Dampfschiffe mit seinen
Nebenflüssen, seinen falschen Flüssen, seinen Seitenarmen mehr als
6600 Meilen schiffbarer Strecken. Er ist so tief, daß das Senkblei
bei 50, bei 80 und sogar 100 Metern nicht immer seine Tiefe ergründet
und daß Fregatten selbst mehr als 530 Meilen hinaufsegeln können.
Er ist so breit, daß man an manchen Stellen beide Ufer nicht
mehr erkennt und daß man an den Mündungen des Madeira, des
Tapajoz, des Rio Negro und anderer großer Nebenflüsse den Horizont